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Berlin: Hetze – vom Recht gedeckt

Tausende Demonstranten verunglimpften Israel. Innensenator Körting kündigte rechtliche Prüfung an

Die Bilder haben viele entsetzt: Dutzende Fotos des Hisbollah-Anführers Hassan Nasrallah hatten am Sonnabend die 3500 arabischen Demonstranten vor sich her getragen. Die Polizei schritt nicht ein. Sie hat bislang keine Handhabe gegen die Nasrallah-Porträts, die teilweise mit Sprüchen wie „Wir danken dir“ oder „Wir sind stolz auf dich“ versehen waren. Denn die Hisbollah gilt in Deutschland offiziell nicht als Terrororganisation, anders als in den USA oder in Israel. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, dass jetzt geprüft werde, ob das Zeigen dieser Porträts den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Die EU konnte sich bisher zu keiner einheitlichen Haltung durchringen – und auch in Deutschland ist die Hisbollah nicht verboten. Die Anhänger in Deutschland werden lediglich vom Verfassungsschutz beobachtet.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, bedauerte, dass Fotos des Hisbollah-Anführers gezeigt werden dürfen. „Die Demonstranten fürchten keine strafrechtlichen Konsequenzen“, sagte Joffe dem Tagesspiegel. „Nasrallah steht nicht für Frieden, er ist der kleine Bruder von Ahmadinedschad“, sagte Joffe. „Mein Traum wäre es, wenn jüdische und muslimische Verbände gemeinsam für wirklichen Frieden in Berlin demonstrieren würden.“ Entsetzt über die Nasrallah-Porträts ist auch Sharon Adler, die die pro-israelische Demo am Freitag mit unterstützte: „Das schürt den Hass.“ Schlimm sei, dass vor allem Kinder Fotos des Hisbollah-Führers getragen hätten. Verärgert reagierte der CDU-Innenpolitiker Peter Trapp: „Das Foto steht für die terroristische Richtung.“

„Nasrallah steht nicht automatisch für Verbrechen“, sagte der Justiziar der Polizei, Oliver Tölle gestern. Die Hisbollah sei in der libanesischen Regierung vertreten und engagiere sich sozial. Deshalb könne man das Porträt nicht auf Demos verbieten. Etwas anderes sei es mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Der habe so offen dazu aufgerufen, „Israel von der Landkarte zu tilgen“, dass sein Foto nicht mehr auf Demos gezeigt werden dürfe, sagte Tölle. Nasrallah könne man diese Aussage nicht in dieser Klarheit nachweisen, „erst wenn die Hisbollah auf der Terrorliste steht, können wir dagegen vorgehen“.

Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Hisbollah-Anhänger in Berlin auf 150 Personen. Sie agieren jedoch nicht offen als Hisbollah („Hizb Allah“). Sie waren aber mit ihrer Fahne, die unter anderem eine Kalaschnikow zeigt, und dem Porträt Nasrallahs regelmäßig auf Demos präsent. Die Fahne wird mittlerweile nicht mehr geduldet. „Mit diesem Banner käme Militanz in die Demo“, sagte der Chefjustiziar der Polizei.

Die Demonstration am Sonnabend war die dritte seit Beginn des aktuellen Konflikts im Nahen Osten. Am gestrigen frühen Abend kamen rund 500 Menschen zu einer Versammlung auf dem Breitscheidplatz angesichts der israelischen Attacke auf das südlibanesische Dorf Kana. Alle Demos seien mustergültig verlaufen, lobte die Polizei, vor allem weil die Veranstalter für Ordnung gesorgt hätten. Diese würden sofort gegen verbotene Parolen vorgehen. So seien Rufe wie „Olmert – Kindermörder“ sofort gestoppt worden. Denn das ist verboten, weil der israelische Premier Ehud Olmert nicht als Person angegriffen werden darf. Erlaubt ist aber der Ruf „Israel – Kindermörder“. Das war auch vielfach am Sonnabend zu hören. Juristen unterscheiden fein: So ist „Bush – Mörder“ verboten, dagegen „Bush – Terrorist“ erlaubt. Denn „Terrorist“ treffe nur die Amtsführung, „Mörder“ beleidige dagegen die Person.

Strikt verboten ist es in Deutschland zum Beispiel auch, Porträts von Hitler oder Osama bin Laden zu zeigen. Schwieriger wird es bei Fotos des früheren PKK-Führers Abdullah Öcalan. Da die kurdische Arbeiterpartei PKK in Deutschland verboten ist, ist auch das Öcalan-Porträt verboten. Wenn das Foto jedoch im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Öcalan gezeigt wird, sei das erlaubt, sagte Tölle. „Das ist eine Gratwanderung.“

Teilweise wird eine Entscheidung erst an Ort und Stelle gefällt, wenn sprachkundige Experten des Staatsschutzes Demonstranten wie die von Sonnabend beobachten. So hatten die islamistischen Veranstalter der Al-Quds-Demo (Jerusalemtag) im Jahr 2004 die Polizei überrascht und 50 Kinder mit schneeweißen Hemden ausstaffiert – weiße Hemden werden im Nahen Osten als Symbol von Selbstmordattentätern getragen. Nach einer Abwägung hatte die Polizei damals die Hemden akzeptiert, zumal sie einen Friedensappell als Aufdruck trugen.

Das Beispiel zeigt, dass auch zunächst unverdächtig erscheinende Symbole oder Gegenstände analysiert werden. Der Al-Quds-Tag war 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini eingeführt worden, um weltweit Hass gegen Israel zu propagieren. Seit mehreren Jahren wird an diesem Tag im November auch in Berlin demonstriert.

Schlagzeilen hatte 2002 ein Pressefoto gemacht, das einen Palästinenser zeigte, der seiner kleinen Tochter auf einer anti-israelischen Demonstration eine selbst gebastelte Imitation eines Sprengstoffgürtels umgebunden hatte. Mohamed El-R. war wegen der Billigung von Straftaten zu einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden.

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