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Pollenalarm. 80 Prozent der Berliner können sich einfach freuen, wenn die Bäume wieder grünen. Die anderen 20 Prozent müssen die Taschentücher zücken. Foto: dpa

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Heuschnupfen: Allergiker: Blühende Landschaft, laufende Nase

Für Allergiker hat mit der Birkenblüte die harte Zeit begonnen, Gräser, Roggen und Beifuß werden folgen. Durch den Klimawandel fliegen die Pollen immer länger durch die Lüfte

Die Mehrheit der Berliner mag unter Eis und Dauerfrost im Winter geächzt haben. Doch etwa jedem Fünften dürfte das Wetter durchaus recht gewesen sein: So viele Menschen sind nämlich von einer Pollenallergie, auch Heuschnupfen genannt, betroffen – und so lange wie dieses Mal, nämlich von November bis Februar, hatten sie schon lange nicht mehr Ruhe. Doch jetzt ist die Schonzeit vorbei, seit 7. April blüht die Birke, und sie läutet traditionell die Leidenszeit für Allergiker ein. Mit Gräsern, Roggen und Beifuß wird es weitergehen. Und seit einigen Jahren gesellt sich im Juli auch noch Ambrosia dazu, eine Pflanze, die eigentlich in Nordamerika beheimatet ist, die aber zunehmend auch in Mitteleuropa wächst.

Ihr Auftreten hierzulande ist eine Folge des Klimawandels – aber nicht die einzige. Das Institut für Meteorologie der Freien Universität (FU) misst seit 1984 die Pollenbelastung pro Kubikmeter Luft in Steglitz, seit drei Jahren auch in Prenzlauer Berg, um repräsentative Ergebnisse für das Stadtzentrum zu erhalten.

„Wir haben beobachtet, dass die Birke in Berlin immer früher blüht, und führen das auf den Klimawandel zurück“, sagt Thomas Dümmel von der FU. Seit 1984 habe sich der Blühbeginn um zehn Tage nach vorne verlagert. Auch Karl-Christian Bergmann, Allergologe an der Charité und Vorsitzender der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, bestätigt: „Die Bäume reagieren auf die wärmeren Temperaturen, indem sie früher blühen, während die Kräuter vor allem länger blühen.“

Die aktuelle Situation können Allergiker täglich auf www.met.fu-berlin.de unter „Polleninformation“ abrufen. So enthielt ein Kubikmeter Luft in Prenzlauer Berg am Dienstag 426 Birkenpollen, in Steglitz sogar 1664 Pollen. Ab 50 Pollen bekommen Allergiker erste Probleme: Die Augen tränen, die Nase läuft, das Atmen fällt schwer, das Einschlafen auch. Je nach Wetterlage hält dieser Zustand mehrere Wochen an. Wird ein Heuschnupfen nicht behandelt, kann er auf Dauer zu Asthma führen. Karin Förster, Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologin in Lichtenberg, hat jetzt deutlich mehr Patienten als noch vor einigen Wochen. „Ich beobachte vor allem, dass die Pollen aggressiver und reizender werden, wahrscheinlich wegen des Feinstaubes und anderer Schadstoffe“, sagt sie. Eine Behandlung sei mit Medikamenten möglich, darunter Kortison oder Antihistaminika, oder in Form einer mehrjährigen Therapie, der Hyposensibilisierung, bei der in abgeschwächter Form die allergenen Stoffe der Pollen gespritzt werden. Neu ist, dass neben der Spritze und den Tropfen diese Therapie jetzt auch mit Tabletten möglich ist, die unter die Zunge gelegt werden – die sogenannte sublinguale Immuntherapie.

Neben der medizinischen Behandlung gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die Betroffene bei hoher Pollenbelastung beachten können: Wenn es möglich ist, zu Hause bleiben, die Fenster tagsüber geschlossen halten und erst in den Abendstunden öffnen, Jacken schon im Flur ablegen und vor dem Schlafengehen die Haare waschen, um keine zusätzlichen Pollen in die Wohnung zu tragen. Wer unsicher ist, ob er allergisch ist, kann einen jährlich aktualisierten Kalender des Meteorologischen Instituts der FU als ersten Anhaltspunkt benutzen. In ihn kann man täglich seinen Gesundheitszustand eintragen und mit den Blühzeiten der sieben wichtigsten Pollenpflanzen vergleichen. Der Kalender soll in Arztpraxen und Apotheken erhältlich sein. Udo Badelt

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