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Alles prima: Henkel und Wowereit preisen ihre Erfolgsbilanz.

© Davids/Darmer

Berlin: „Hier geht niemand gebeugt“

Klaus Wowereit (SPD) und Frank Henkel (CDU) ziehen nach einem Jahr Koalition eine Erfolgsbilanz und preisen ihre Nehmerqualitäten.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein Jahr rot-schwarzer Senat. Für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) war der Zeitpunkt gekommen, auf einer Pressekonferenz am Dienstag im Roten Rathaus den schlechten Eindruck bei vielen Wählern zu korrigieren. „Hier geht niemand gebeugt, hier muss sich keiner auf den anderen stützen“, beugte Henkel dem Verdacht vor, es handele sich um eine schwache Landesregierung. „Wir sind stolz auf das bisher Erreichte und haben Nehmerqualitäten bewiesen“, fügte er hinzu. „Und austeilen können wir auch“, ergänzte Wowereit.

Er erinnerte daran, wie das war vor einem Jahr. Als nach der Abgeordnetenhauswahl die Sondierungsgespräche mit den Grünen am Streit um den Ausbau der Stadtautobahn A 100 platzten und „für viele überraschend“ ein Regierungsbündnis mit der CDU entstand. Trotz aller Skepsis, die es auch in der Berliner SPD gegeben habe, sei die Akzeptanz dieser Koalition sehr hoch. Jedenfalls in den beiden Parteien, die Berlin jetzt regieren, lobte Wowereit die Sozial- und Christdemokraten. Inzwischen sei auch der verzweifelte Versuch der Grünen gescheitert, die Bundesfinanzierung der A 100 zu verhindern. Im März 2013 begännen die Bauarbeiten.

Es gibt kein schlechtes Klima auf der sozialdemokratischen Seite des Senats? Keinen erbitterten Streit, vor allem zwischen dem Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und seinem Amtskollegen Michael Müller (SPD)? Der Regierungschef winkte ab, als diese Fragen gestellt wurden. Alles Geschichten aus der Märchenkiste, sagte er. Natürlich gebe es Konflikte aus sachlichen Gründen und wegen der besonderen Rolle des Finanzsenators, der auf die öffentlichen Gelder achten müsse. Diese Konflikte müssten nun mal ausgetragen werden, „notfalls mit Chefgesprächen beim Regierenden Bürgermeister“. Und er erwarte von den Senatsmitgliedern, sich an einmal gefasste Beschlüsse auch dann zu halten, wenn man sich nicht durchgesetzt habe, mahnte Wowereit. „Ich setze mich ja auch nicht immer durch.“ Da entfuhr dem Regierungspartner Henkel ein kurzes, trockenes „Naja“.

Auch sei Stadtentwicklungssenator Müller nicht amtsmüde, dementierte Wowereit. Und die öffentlichen Vorwürfe gegen Nußbaum seien „ohne jeden substanziellen Hintergrund“. Auch dessen Umgang mit dem eigenen privaten Vermögen fand der Regierungschef überhaupt nicht kritikwürdig: „Was man da anrüchig finden kann, ist mir schleierhaft.“ Auch sei es völlig abwegig, dass beide Senatoren oder einer von ihnen ausgetauscht werden sollen. „Das ist nicht geplant, da kann ich Sie völlig beruhigen“, sagte Wowereit.

Er bezog sich dabei auf innerparteiliche Diskussionen über einen Wechsel Müllers mit der Wahl 2013 in den Bundestag und einen Amtsverzicht oder die Entlassung Nußbaums. Aus SPD-Kreisen war am Dienstag zu erfahren, dass Wowereit in einem internen Krisengespräch über die ständigen Zerwürfnisse im Senat und in der Partei ein Machtwort gesprochen habe mit dem Ziel, die Situation zu befrieden. „Hoffen wir das Beste“, sagte dazu ein einflussreicher Sozialdemokrat.

Zu den innerparteilichen Auseinandersetzungen der SPD äußerte sich der Bürgermeister und CDU-Landeschef Henkel natürlich nicht. Er gestand nur zu, dass es der Rollenwechsel von der langjährigen Oppositionspartei CDU in die Regierung „in sich gehabt“ habe. Ansonsten lobte Henkel „die Solidarität und den Zusammenhalt“ in der Koalition und hob den positiven Beitrag der Fraktionschefs Florian Graf (CDU) und Raed Saleh (SPD) zum Gelingen des Regierungshandelns hervor. Für den eigenen Bereich nannte der CDU-Politiker als Erfolge, dass die Polizei auf der Straße wieder sichtbarer werde, dass es endlich wieder einen Polizeipräsidenten gebe und an einem „kontrollierten Neuanfang“ beim Landesamt für Verfassungsschutz gearbeitet werde.

Am 1. Dezember 2011 hatte sich der SPD/CDU-Senat konstituiert. Um die Erfolge aus eigener Sicht zu würdigen, legten Wowereit und Henkel eine achtseitige Bilanz vor – unter der Überschrift: „Berlin im Aufschwung“. Die wirtschaftliche Trendwende sei geschafft, sagte Wowereit und verwies auf die vielen „riesigen Baustellen“ in der Stadt, die ein Beweis für die Prosperität Berlins seien. Ein spezielles Bauprojekt ließ er dabei nicht unerwähnt. Nein, der Großflughafen BER sei, wegen der mehrfach verschobenen Eröffnung und der höheren Kosten, kein Ruhmesblatt. Verlorenes Vertrauen lasse sich nur wiedergewinnen, wenn Fakten geschaffen würden. Immer noch sei die Baustelle in Schönefeld „eine Herausforderung“. Am Eröffnungstermin 27. Oktober 2013 hält der Regierende Bürgermeister und BER-Aufsichtsratschef aber fest.

Die schriftliche Erfolgsbilanz der Senatskanzlei setzt Schwerpunkte bei der Kreativwirtschaft, der Arbeitsmarktförderung, dem öffentlichen Nahverkehr, bei Bildung und Wissenschaft, Mieten- und Liegenschaftspolitik. Tegel und Tempelhof als Zukunftsstandorte werden herausgehoben, einschließlich des umstrittenen Neubaus einer Zentral- und Landesbibliothek, deren Planungen „weiter vorangetrieben“ würden.

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