zum Hauptinhalt

Berlin: Hilfe für Täter

Gestern öffnete die erste Beratungsstelle für Stalker. Sie betreut Menschen, die anderen nachstellen

Es kann mit einem Blumenstrauß vor der Tür beginnen, mit einer Geste der Aufmerksamkeit. Doch dann folgt die Bombardierung mit SMS, E-Mails und Anrufen oder gar die Androhung von Gewalt. Die Belästigung wird zum Terror – für das Opfer, aber auch für den Täter. „Stalking kann Suchtcharakter bekommen“, sagt der Psychologe Wolf Ortiz-Müller. Er leitet die bundesweit erste Beratungsstelle für Stalker, die gestern in Steglitz eröffnet wurde. „Opferschutz braucht auch die Arbeit mit den Tätern“, sagt der Leiter von „Stop Stalking“. In der Einrichtung des Berliner Krisen- und Beratungsdienstes können Stalker lernen, wieder selbstbestimmt zu leben – in einer Art Gesprächstherapie. Je nach Bedarf gibt es mehrere Sitzungen, in denen ein Psychologe mit dem Stalker die Hintergründe für dessen Verhalten bespricht, ihn über die Rechtslage informiert und versucht, einen Rückfall zu verhindern.

Der englische Begriff „Stalking“ bedeutet „anschleichen“ oder „nachstellen“. Er beschreibt laut Ortiz-Müller in erster Linie ein soziales Fehlverhalten, getragen von Gefühlen der Verliebtheit oder Rache. Und es ist ein Phänomen, das inzwischen weit verbreitet ist. Im vergangenen Jahr ermittelte die Berliner Justiz in mehr als 1000 Stalking-Fällen. Um die Opfer besser zu schützen, gilt das Nachstellen seit März 2007 als Straftat. Das „Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen“ sieht bis zu drei Jahre Haft vor. Dies zeigt laut „Stop Stalking“, welche Brisanz das Thema hat.

„Stalking betrifft viele Menschen beider Geschlechter, in allen Schichten der Bevölkerung“, sagt Ortiz-Müller. Obwohl die Mehrzahl der Nachsteller (bis zu 80 Prozent) männlich ist, sind immerhin ein Fünftel der Stalker Frauen. „Es muss präventiv gehandelt werden, nicht erst dann, wenn die Justiz einen Täter verurteilt hat“, sagt Ortiz-Müller.

Deshalb kooperieren die fünf Psychologen und Sozialarbeiter von „Stop Stalking“ mit Rechtsanwälten und Opferberatungsstellen wie dem Weißen Ring, vor allem aber mit der Berliner Polizei. „Die Beamten weisen darauf hin, dass es eine Einrichtung gibt, die mit Tätern arbeitet, ohne sie zu verurteilen.“ Stalker können sich auch anonym an die Beratungsstelle wenden. Aber ist es realistisch, dass sich Stalker selbst Hilfe suchen, wo doch viele ihr Verhalten nicht als Straftat empfinden? „Spätestens, wenn eine Anzeige eintrifft, begreifen viele Stalker, wie sich ihr Verhalten auswirkt“, sagt Ortiz-Müller. Oft seien sie erschrocken und wollten sich ihre Zukunft nicht durch Vorstrafen verbauen. Deshalb sei es wichtig, die Androhung strafrechtlicher Maßnahmen mit dem Beratungsangebot zu ergänzen. Laura Wieland

www.stop-stalking-berlin.de

Laura Wieland

Zur Startseite