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Am Mittwoch wurde der Kinderrechte-Index in Berlin vorgestellt.

© Christian Charisius/dpa

Unsichere Schulwege, wenig Mitsprache: Berlin setzt Kinderrechtskonvention nur „durchschnittlich“ um

Das Kinderhilfswerk hat die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes untersucht. Berlin schneidet im Bundesländer-Vergleich nur mittelmäßig ab.

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland genauer unter die Lupe genommen und sieht Nachholbedarf im Land Berlin. Das ist das Ergebnis des ersten deutschen „Kinderrechte-Index“, den der gemeinnützige Verein am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. So schneidet Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern nur mittelmäßig ab.

Besser machen es dem Index nach die Länder Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein. Als „unterdurchschnittlich“ und damit schlechter als Berlin werden die Länder Hamburg, Hessen, Saarland und Sachsen-Anhalt bewertet.

Zur Erstellung des Index haben die Verfasser fünf Kinderrechte in den Mittelpunkt gestellt: Das Recht auf Beteiligung, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf angemessenen Lebensstandard, das Recht auf Bildung sowie das Recht auf Ruhe und Freizeit, Spiel und Erholung.

In Berlin gebe es hinsichtlich der Umsetzung der Kinderrechte „viel Licht, aber auch Schatten“, bilanziert Sprecher Uwe Kamp vom Deutschen Kinderhilfswerk.

Als „unterdurchschnittlich“ im Vergleich zu anderen Bundesländern wird in Berlin die Umsetzung des Kinderrechts auf Beteiligung bewertet. So gebe es Mängel bei der „kindgerechten Informationen über die Anhörung und Beteiligung bei Gerichtsverfahren“, wie dies beispielsweise bei Sorgerechtsfällen notwendig wäre. Auch seien die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend im Bezirksverwaltungsgesetz verankert.

Elternvertretungen haben in Berlin mehr Rechte als Schülervertretungen

Das Kinderhilfswerk kritisiert auch, dass es keine Bestellung von Verfahrensbeiständen für Kinder durch Familiengerichte in Verfahren, die ihre Interessen berühren, gebe. Auch die Beteiligungsrechte in der Schule könnten ausgeweitet werden, heißt es in der Studie.

In Berlin haben Elternvertretungen beispielsweise immer noch mehr Rechte als Schülervertretungen. „Hier könnte Berlin von vielen anderen Bundesländern noch einiges lernen“, sagt Uwe Kamp. Brandenburg oder Baden-Württemberg machen es besser. Auch in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen seien Beteiligungsrechte in vielen Bereichen besser verankert.

Weitere Schwächen Berlins macht der Index im Bereich des Rechts auf Ruhe und Freizeit, Spiel und aktive Erholung aus.

So wird beispielsweise nur 0,2 Prozent des Landeshaushalts in Berlin für die Jugendarbeit ausgegeben. „Kein Bundesland investiert in diesem Bereich weniger“, sagt Uwe Kamp. Auch was die Sicherheit der Schulwege betrifft, gebe es noch viel „Luft nach oben“.

„Wir erwarten von der Landesregierung einen Innovationsschub“

73 Prozent der befragten Kinder stufen ihren Schulweg als eher unsicher ein. Dies sei der zweitschlechteste Wert im bundesweiten Vergleich. Auch Stadtstaaten wie Bremen und Hamburg schneiden hier besser ab.

Kritisch gesehen wird auch der hohe Anteil an Schulabgängerinnen und –abgängern ohne Abschluss, ebenso der sehr hohe Anteil der Kinder, die von Hartz-IV-Sanktionen betroffen sind.

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Berlin habe allerdings auch Stärken: Vor allem bei der Umsetzung des Rechts auf Bildung, bei der Unterbringung von Flüchtlingskindern sowie in der Gesundheitsvorsorge. Hier schneidet die Hauptstadt besser ab als andere Länder.

„Wir erwarten von der Landesregierung einen Innovationsschub“, sagt Uwe Kamp. Auch ohne viel Geld auszugeben, könne die Berliner Regierung sich in vielen Bereichen andere Bundesländer zum Vorbild nehmen und die Umsetzung der Kinderrechte besser verwirklichen.

Der Kinderrechte-Index ist ein Pilotprojekt und soll ein erster Schritt für ein umfassenderes Monitoringinstrument sein, das auch in Zukunft die Entwicklung der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland kritisch begutachten soll.

Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes wurde vor 30 Jahren von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Deutschland hat den völkerrechtlich bindenden Vertrag 1992 ratifiziert.

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