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Berlin: Himmlisch: französische Verhältnisse

Kind und Beruf – für Frankreichs Frauen kein Problem. Denn der Staat bietet Rundumbetreuung

80 Prozent der französischen Frauen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren sind berufstätig. In Deutschland sind es nur 58 Prozent. Damit hält Frankreich den Europarekord. Das kommt nicht von ungefähr. Verglichen mit anderen europäischen Ländern macht Frankreich geradezu paradiesische Angebote in der Kinderversorgung. Der Staat bietet ausreichend Betreuungsplätze an – praktisch schon ab der Geburt.

Die französische Familienpolitik unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom deutschen System: Die wichtigsten Sozialleistungen und Kinderbeihilfen werden erst ab dem zweiten Kind ausgezahlt, weil der Staat grundsätzlich die Mehrkindfamilie fördern will. Auch bezahlter Erziehungsurlaub kommt erst bei der Geburt des zweiten Sprösslings in Frage. Die Angebote reichen von Steuererleichterungen für Familien, die eine Tagesmutter privat einstellen, bis zu Beihilfen für die Betreuung in Kinderkrippen. Die Beiträge dafür sind einkommensabhängig: Mittellose zahlen gar nichts, Besserverdiener zahlen sehr viel, unter Umständen bis zu 20 Prozent ihres Einkommens. In Zahlen: Von rund 4,4 Millionen französischen Kindern unter sechs Jahren werden nur 350 000 nicht mit öffentlichen Geldern unterstützt, der Staat greift also tief in die Tasche.

Ist der Nachwuchs zwei Jahre alt, ist die Betreuung sowieso kein Problem mehr: Die Vorschule, eine Art Vorschulkindergarten, ist fester Bestandteil des staatlichen Schulsystems und bietet eine Ganztagsbetreuung bis 16.30 Uhr, einschließlich kindgerechtem Unterricht von ausgebildeten Lehrern, Mittagessen und Nachmittagsschlaf – ein kinderfreundlicher Staatsservice, der nichts kostet. Seit 1945 ist die „école maternelle“, die Vorschule, Bestandteil des Schulsystems. Heute besuchen fast 100 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren die Maternelles und bereits 35 Prozent der Zweijährigen. Einzige Voraussetzung: Das Kind muss gelernt haben, aufs Töpfchen zu gehen. Mit sechs Jahren beginnt die normale Schulpflicht. Für Kinder, die nach 16.30 Uhr oder mittwochs, am schulfreien Tag, betreut werden müssen, steht gegen ein geringes Entgeld Personal der jeweiligen Schule zur Verfügung.

Frankreichs Regierung lässt sich seine kinderfreundliche Politik Etliches kosten: Im vergangenen Jahr wurden rund 100 Milliarden Euro für das schulische Bildungssystem ausgegeben, etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Angebot, von dem deutsche Eltern nur träumen können und das außer der niedrigen Arbeitslosenrate unter Frauen noch einen anderen positiven Effekt hat: Frankreich ist zusammen mit Irland das Land mit der höchsten Geburtenrate. Statistisch gesehen kommen auf eine Frau 1,9 Kinder (Deutschland: 1,34, Italien und Spanien: 1,25). Nun plant die französische Regierung, die Kinderkrippen-Betreuung weiter zu verbessern: Deshalb soll die Krippen-Betreuung der ganz Kleinen erschwinglicher werden: Auch besser verdienende Eltern müssten dann höchstens zehn statt 20 Prozent ihres Gehaltes für den Hort ausgeben.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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