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Berlin: Hinter den Kulissen: Beobachtungen aus der Berliner Polit-Szene

Berlin wollte schon immer Kultur- und Wissenschaftsmetropole sein. Ehrensache, dass Senatorin Adrienne Goehler einen Willkommensempfang für einen von der FU ausgerichteten Internationalen Mathematiker-Kongress gab.

Berlin wollte schon immer Kultur- und Wissenschaftsmetropole sein. Ehrensache, dass Senatorin Adrienne Goehler einen Willkommensempfang für einen von der FU ausgerichteten Internationalen Mathematiker-Kongress gab. Das heißt, Frau Goehler überließ das ihrem Quasi-Staatssekretär Bernd Köppl (Grüne). Der Abend kam, im Wappensaal des Roten Rathauses wartete Köppl mit seiner Begrüßungsansprache auf Englisch, die Weingläser waren gefüllt, doch: Niemand erschien. So fahndete er telefonisch nach den 250 Gästen aus der ganzen Welt - und fand heraus, dass sie wie bestellt und nicht abgeholt mit einem FU-Professor vor dem Schöneberger Rathaus standen. Die Busse waren fortgerollt, also machte sich die Gesellschaft mit der U-Bahn auf den Weg ins Rote Rathaus. Als man dort glücklich ankam, war wiederum Gastgeber Köppl nicht mehr da, er hatte wichtige "Besprechungstermine". Er hatte seine Ansprache einer Mitarbeiterin in die Hand gedrückt, die nun die Honneurs machte. Am Ende aber bedankte sich der FU-Professor warmherzig für den reizenden Empfang - bei Wissenschaftssenatorin Christa Thoben. Die war zwar schon die vorletzte Wissenschaftssenatorin, vor Christoph Stölzl, aber man muss ja in der großen weiten Wissenschaftswelt nicht wissen, wer in Berlin gerade Senator ist. Nur um den richtigen Zeiteinstellung der FU-Uhren macht sich Herr Köppl auf einmal Sorgen.

Wenn er zwischen zwei Terminen ein bisschen Luft hat, springt Klaus Wowereit gern rasch mal zum Einkaufen aus dem Auto; auch Kleider machen Leute. Bei Peek und Cloppenburg in der Tauentzienstraße wurde der Regierende dieser Tage zusammen mit Fritz Pleitgen gesichtet. Kontaktfreudig, wie er ist, war ihm das Zufallstreffen sehr willkommen: "Wir haben uns angeregt unterhalten, aber Herr Pleitgen ist nicht mein Modeberater." Überhaupt die Pflege der Presse, ganz wichtig! Bevor Wowereit am Dienstag nach der Senatssitzung persönlich Auskunft über den Stand der Dinge bei der Bankgesellschaft gab, verblüffte er durch Offenheit: "Wir sind eine wahre Schicksalsgemeinschaft. Sie überlegen sich, wie Sie Ihre Zeitung vollkriegen - und ich, wie ich da reinkomme."

Repräsentieren gehört zum Regieren. Natürlich hat der Regierende zur Internationalen Funkausstellung traditionell seine Pflichttermine. In der Eichengalerie des Schlosses Charlottenburg gab er also das übliche Abendessen für die wichtigsten Leute der IFA. Vermutlich genoss niemand mehr das schöne Ambiente als André Schmitz, der Chef der Senatskanzlei mit dem Blick fürs Ästhetische. Begeistert nahm er die Kultursenatorin beiseite: "Ich muss Ihnen noch etwas zeigen." Und schon marschierte er mit ihr quer durch die Küche in einen Raum, in dem kostbares Rokoko-Porzellan der KPM aufbewahrt wird. Es wird nur für Staatsgäste gedeckt, das berühmte "Breslauer Stadtschloss", wie es für den Alten Fritz entworfen wurde, das blumen- und goldreiche mit den blauen Schuppen. Die aus Hamburg zugereiste Frau Goehler war auch sehr beeindruckt, aber da sie gern spöttelt, meinte sie amüsiert: "Am liebsten wäre Herr Schmitz wohl Schlossherr."

Nicht ganz so wertvoll, aber genauso rührend gut gemeint war die Augenweide, die Grünen-Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Sibyll-Anka Klotz ihrer Kultursenatorin bescherte. Frau Klotz hatte für zwei Wochen ihre Tochter in Amerika besucht, die dort Austauschschülerin ist. Ihre Gedanken waren trotzdem beim "Übergangssenat". Und da sie auf einem Trödelmarkt so originelle Ohrgehänge sah, dachte sie gleich an die originelle Adrienne Göhler, die auffallenden Schmuck liebt, besonders an den Ohren. Frau Goehler durfte dieser Tage ein Klotz-Geschenk auspacken: lange kunterbunte Ohrringe und ein Paar in Form von Glühlampen. Über Geschmack soll man nicht streiten, die Beschenkte soll sich sehr gefreut haben.

Im CDU-Wahlkampf von Frank Steffel ist bekanntlich nicht die richtige Musike, immer diese Misstöne. Aber gefragt ist er schon, der CDU-Spitzenkandidat. Neulich half er bei der Eröffnung des Wella-Studios am Gendarmenmarkt mit einer haarigen Rede. Also Steffel findet, dass dem "Ritter Gregor" (Gysi) "der Kopf bereits durchs Haar wächst". In Wowereit sieht Steffel die "Rapunzel", zu der "Ritter Gregor" immer hinauf zum Turm ruft: "Lass Dein Haar herunter!" Aber Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne), diesen "Struwwelpeter", sieht er eifersüchtig gegen Nebenbuhler kämpfen. Da fehlt doch Günter Rexrodt (FDP), aber vielleicht will sich Steffel den für alle Fälle warm halten. So viel zu den Gedanken über Koalitionsaussichten.

Da fand es der stellvertretende CDU-Fraktionschef Alexander Kaczmarek doch wohltuend still in seinem italienischen Urlaubsquartier - im Kloster bei Florenz. Dort störte es die Karmeliterinnen nicht einmal, dass die Kinder einschließlich der Kaczmarekschen Tochter Kim-Sophie Unfug machten und spielerisch die Glocken läuten ließen. Und weil ja Reisen bildet, kam Kaczmarek beim Ausflug nach Pisa zu tiefschürfenden Erkenntnissen: "Die Italiener verstehen es, aus den schwersten Bausünden ein Geschäft zu machen, während unsere bloß immer Löcher in den Haushalt reißen." Ja, die Kirche mit dem schiefen Turm, der schon im tiefsten Mittelalter schief war, ist eben eine Touristenattraktion.

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