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Hintergrund: Keiner surft alleine

Was im Netz getauscht werden darf, was illegal ist – und wie man Internetnutzern auf die Spur kommt

Die Abmahnindustrie

. Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen über das Internet sind längst ein Massengeschäft, das Anwaltskanzleien im Auftrag der Musik- und Filmindustrie betreiben. Zusätzlich sind Firmen darauf spezialisiert, einschlägig bekannte Online-Tauschbörsen systematisch zu überwachen. Jörg Heidrich, Justiziar des Heise-Verlags und von dessen Computerzeitschrift „c’t“, kritisiert „industrielle Massenabmahnungen“, bei denen es „gar nicht mehr um das Urheberrecht, sondern nur noch ums schnelle Geld“ gehe. Jährlich würden mehrere hunderttausend Internetnutzer abgemahnt – mit steigender Tendenz.

Die Spur der Downloads. Was viele Benutzer nicht wissen: Tauschbörsen zeigen die Verbindungsdaten (IP-Adressen) aller Teilnehmer an. Rechteinhaber benutzen Protokolle mit diesen Daten, um bei Gerichten ein zivilrechtliches Auskunftsbegehren zu stellen, das dem Internetzugangsanbieter (Provider) zugeht. Dieser stellt fest, welcher Kunde eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzt hat und teilt dessen Adresse mit. Außerhalb von Tauschbörsen ist es dagegen in der Regel unmöglich, IP-Adressen einzusehen. So beschränkt sich das Videoportal Youtube darauf, unerlaubt ins Netz gestellte Dateien auf Verlangen zu löschen.

Legal oder illegal. Es kommt immer auf die Inhalte an. Internet-Tauschbörsen sind an sich nicht verboten: Manche Firmen nutzen sie zum Verteilen kostenfreier Programme, und nichtkommerzielle Musik oder Filme dürfen beliebig getauscht werden. Oft genüge der „gesunde Menschenverstand“ für eine Einschätzung, sagt Rechtsanwalt Sebastian Dehißelles von der auf IT- und Medienrecht spezialisierten Kanzlei Terhaag & Partner in Düsseldorf. Stößt man auf kostenfreie Chartsmusik oder aktuelle Kinofilme, sollte die Rechtswidrigkeit klar sein.

Die Verfolgung. Theoretisch ist bereits der Download geschützter Werke illegal, in der Praxis aber bleibt dies straffrei. Anders ist es bei Tauschbörsen, da jede empfangene Datei automatisch weiterverteilt wird – der Benutzer wird so zum „Uploader“. Darauf basiert der typische Satz in Abmahnbriefen, man habe geschützte Werke „weltweit zum Herunterladen angeboten“. Immer beliebter werden deshalb Internetseiten, die reine Downloads anbieten. Bekannt ist ein illegales Kinofilmportal, das die Daten „streamt“. Technisch ähnelt dies den Internet-Mediatheken von Fernsehsendern.

Schutz für Kinder. Im Internet-Zeitalter sollten Eltern ihre Kinder auf Gefahren im Netz hinweisen – zumal sich dies auf die Haftung auswirkt. Laut Anwalt Dehißelles lehnen Gerichte die Schadensersatzforderungen meistens ab, wenn „Eltern glaubhaft machen können, dass sie das Kind belehrt haben und es bisher keinen Anhaltspunkt gab, dass es die Weisung nicht befolgt“. Trotzdem müssen aber die Anwaltskosten gezahlt werden, die oft teurer als der Schadensersatz sind. Es ist auch technisch möglich, Downloads zu verhindern. Haben Kinder nur eingeschränkte Benutzerrechte am PC, kann die Installation von Filesharing-Programmen unterbunden werden. Zudem lassen sich im DSL-Router sogenannte Ports sperren, die für Tauschbörsen notwendig sind. Zudem kann spezielle Kinderschutz-Software den Aufruf bestimmter Webseiten unterbinden. Doch den vollkommenen Schutz gibt es nicht: „Meistens kennen sich Kinder und Jugendliche ja besser als die Eltern mit der Technik aus“, sagt Anwalt Dehißelles.

Die Kosten. Wie teuer eine Abmahnung wird, hängt nicht zuletzt vom Absender ab: Die meisten Anwälte verlangen etwa 600 Euro, Spitzenreiter ist die Hamburger Kanzlei Rasch mit 1200 Euro. Die Pauschale setzt sich aus Anwaltskosten und Schadensersatz zusammen. In bestimmten Bagatellfällen sieht das Urheberrecht die Begrenzung der Anwaltskosten auf 100 Euro vor. Ob die „Deckelung“ bei Musik- und Filmdownloads greift, ist wegen uneinheitlicher Gerichtsurteile aber noch fraglich. Unabhängig davon gelingt es oft, die Summen mit Hilfe eines eigenen Anwalts herunterzuhandeln. „Meistens trifft man sich in der Mitte“, sagt Justiziar Heidrich, der Betroffene auch als Anwalt vertritt. Vor allem Eltern in schwieriger sozialer Lage wie „eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin“ könnten mit Kompromissen rechnen und den Schaden, den ihre Kinder verursacht haben, in Grenzen halten.

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