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Hayat und Matondo

© David von Becker

Hip-Hop-Duo aus Berlin-Tempelhof: Hayat & Matondo rappen gegen Rassismus

"Ich wurde geboren in diesem Land, aber ich bleibe Immigrant", rappen Hayat & Matondo. In ihren Songs greifen die jungen Tempelhofer soziale und politische Probleme von Menschen mit Migrationshintergrund auf. Damit werden sie gerade zu Internetstars.

Es gibt dieses Klischee, wonach Rapper auf dicke, angeberische Autos stehen. Aber Hayat und Matondo kommen mit der U-Bahn. Nun ja, Hayat darf auch noch kein Auto fahren. Er ist erst 13 Jahre alt. Sein Kumpel Matondo immerhin schon 19. Trotzdem ziemlich jung für ein Hip-Hop-Duo, die mit ihren politischen Songs gerade für ordentlich Furore sorgt. Ihr aktuelles Lied heißt „Ausländer raus?!“ – ein provokanter Track gegen Rassismus und gesellschaftliche Ausgrenzung. Das Video wurde auf Youtube schon mehr als 36 000 mal angesehen. Das ist ziemlich viel für zwei Musiker, die bisher niemand kannte.

„Wir sind selbst überrascht von dem positiven Feedback“, sagen die beiden bei einem Treffen am U-Bahnhof Tempelhof. Dort liegt ihr Kiez, ihre „Hood“, wie Hayat und Matondo sagen. Musikmagazine feiern die beiden Newcomer als große Entdeckung, auch in Social-Media- Kanälen wie Facebook ist die Anerkennung groß.

„Ich wurde geboren in diesem Land, aber ich bleibe Immigrant“, lauten Hayats erste Reime im Song „Ausländer raus“. Der 13-jährige Sohn türkischer Eltern kam in Berlin zur Welt. Genau wie sein Freund Matondo, dessen Eltern um 1990 aus der Republik Kongo nach Deutschland flüchteten. Die Familie sei dann zunächst in einem Asylbewerberheim in Neukölln gelandet, erzählt Matondo. „Dort bin ich auch geboren worden.“ Später zogen sie nach Tempelhof, heute arbeiten Matondos Eltern als Gebäudereiniger. Hayats Vater ist Musiklehrer und gibt Unterricht in türkischer Gitarre. Seine Mutter ist Hausfrau.

Anfang der 1990er Jahre, das war auch die Zeit, als in Deutschland diverse Flüchtlingsheime in Brand gesteckt wurden. Es gab rechtsextreme Anschläge in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, in Solingen und Mölln sogar mit Todesopfern. Und heute? An der ablehnenden Haltung der Deutschen gegenüber vermeintlich fremden Menschen habe sich nicht viel geändert, finden Hayat und Matondo. „Rassismus ist leider Alltag“, sagen sie, ob im Beruf, beim Sport oder in der Schule.

In Hayats Schule gab es einmal Streit mit Beteiligung einiger Kinder mit Migrationshintergrund. „Da hat der Lehrer gesagt, dass er die Scheiß-Ausländer hasst“, erinnert sich Hayat, der seine ersten Rap-Zeilen mit neun Jahren textete. Oder Frauen mit Kopftüchern, ergänzt Matondo, da werde das Kopftuch mit Gefahr verbunden und die Trägerinnen fänden keinen vernünftigen Arbeitsplatz. Der 19-Jährige macht gerade eine Ausbildung zum Sozialassistenten. Später will er mit Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten zusammenarbeiten und sie von der schiefen Bahn abbringen.

Mit ihren Rap-Songs wollen Hayat und Matondo ganz öffentlich auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen. Gerade die Jugendlichen läsen ja kaum Zeitung und wüssten oft gar nicht, was um sie herum passiert, sagt Matondo. „Gentrifizierung zum Beispiel: Viele bei uns im Kiez wissen gar nicht, was das ist. Dass Leute, die seit Jahrzehnten dort wohnen, plötzlich aus ihren Wohnungen geschmissen werden.“ Aber mit Musik ließen sich die jungen Menschen erreichen.

In „Ausländer raus“ kritisieren die beiden auch Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky, die mit ihren umstrittenen Thesen zur Integration das Land gespalten haben. „Sarrazin und sein gottverdammtes Buch – wirklich krank“, heißt es in dem Song. Beleidigungen oder gar kriminelle Töne sind in den Songs von Hayat und Matondo aber nicht zu finden. Die Botschaften ließen sich auch ohne Beleidigungen vermitteln, sagen sie. Von Pöbel-Rapper Bushido, gegen den gerade wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt wird, halten Hayat und Matondo nicht viel. Auch Bushido wuchs in Tempelhof auf, er kann sich teure Villen und dicke Autos leisten. Ein Vorbild ist er für die beiden trotzdem nicht.

Antirassistische Initiativen sind begeistert. Am 1. Mai traten Hayat & Matondo beim multikulturellem Myfest in Kreuzberg auf, vor hunderten Zuschauern. Am Sonnabend treten die beiden beim Festival gegen Rassismus auf, das Musikprogramm beginnt um 17 Uhr, die Nachwuchsrapper sind der fünfte Act.

Hip-Hop kann heute vieles sein. Bürgerkinder wie Cro singen über Partys und wie „Easy“ alles im Leben sei. Aber die Ur-Funktion des Rap war immer, über soziale und politische Themen zu sprechen. Hayat und Matondo stehen da noch ganz am Anfang, aber sie haben eine ähnliche Botschaft. In ihrem Debütsong „Kaputte Welt“ heißt es: „Irgendwann reicht es mir – und ich muss etwas sagen.“

Haiko Prengel

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