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Berlin: Hip-Hop im Exil

Zwei junge Iraner rappen in Berlin und kritisieren die Politik in ihrer Heimat

In ihrer Heimat würden sich Kaaveh und Mehty strafbar machen mit dem, was sie tun: Sie rappen. Die beiden stammen aus dem Iran, und dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad erließ Ende letzten Jahres ein Dekret, das westliche Popmusik verbietet. Deren Rhythmus und Inhalt seien unmoralisch und dekadent. Dass die beiden Musiker trotzdem nicht mit Strafe rechnen müssen, liegt daran, dass sie nicht auf einer Teheraner Bühne stehen, sondern in der „Junction Bar“ in Berlin. Hier gaben sie vor einigen Monaten ihr Debütkonzert als Band „Daad“. Das Arte-Musikmagazin „Tracks“ strahlt heute um 23.20 Uhr ein Special über iranischen Hip-Hop aus und hat dafür auch die beiden Berliner Exil-Iraner besucht.

Nicht nur ihr Musikstil würde sie im Iran ins Gefängnis bringen, sondern auch der Inhalt ihrer Texte. Darin kritisieren sie das Regime und rappen über Themen, die im Iran tabu sind: Viele Männer seien „aus Hoffnungslosigkeit drogensüchtig geworden“, viele Frauen „aus Not zu Prostituierten“. Vor allem prangern sie die Korruption der Kleriker an: „Guck, wie dick sie geworden sind und wie sie ihre Taschen gefüllt haben. Guck, was das für Schlangen sind, die im Dunkeln töten.“ Auch vom jetzigen Präsidenten Ahmadinedschad halten sie nichts. Der sei ein Betrüger. „Vor der Wahl hat er versprochen, die Gewinne aus den Ölvorräten des Landes an die Bevölkerung zu verteilen“, sagt Mehty, „das ist bis heute nicht passiert.“

Die beiden haben sich letztes Jahr in Berlin kennengelernt und ihre Band „Daad“ (Schrei) gegründet. Die Musik klingt beim ersten Hören westlich, wie eine Mischung aus Rap, Pop und Reggae, in die sich ab und zu persische Melodien mischen. Den Rapper nimmt man beiden auch erst auf den zweiten Blick ab. Böse Jungs – wie sich die Künstler der Szene sonst gern geben – sind sie jedenfalls nicht. Vielmehr charmant und an Höflichkeit kaum zu überbieten. Kaaveh wirkt intellektuell und ruhig. Vier Sprachen spricht er fließend, seine Worte setzt er gewählt. Mehty ist etwas impulsiver. Meist platzt aus ihm heraus, was er gerade denkt. Der schwarze Hut, den er tief ins Gesicht gezogen trägt, ist ein Markenzeichen. Ohne gehe er nicht auf die Bühne. „Vielleicht um meine Gedanken zusammenzuhalten“, meint er.

Ihr erstes gemeinsames Album „Gush Kon“ ist gerade im Internetvertrieb Phonector erschienen. „,Hör zu‘ heißt das“, übersetzt Kaaveh. Denn die Sprache ihrer Texte ist Persisch. „Wir wollten unsere ganze Identität in die Musik stecken.“ Und vielleicht könne ja der eine oder andere im Iran die Lieder trotz des Verbots hören, zum Beispiel über das Internet, hofft Kaaveh.

Nach Deutschland ist Mehty als Jugendlicher allein gekommen, aus Angst, in den Ersten Golfkrieg eingezogen zu werden und weil er fand, dass ihm „im Iran die Zukunftsperspektive fehlte“. Kaaveh kam als Kind zusammen mit seinen Eltern. Die gehörten zur intellektuellen Schicht des Landes und waren gegen das Chomeini-Regime. „Sie waren nicht offen politisch aktiv, aber haben indirekt Oppositionelle unterstützt.“ Deshalb wollen die Musiker nicht viel mehr ihrer Biographie preisgeben. „Das ist nicht ungefährlich“, sagt Mehty. „Ein großer Teil unserer Familien lebt noch im Iran. Wir wollen nicht, dass sie Ärger bekommen.“ Ihren genauen Namen und ihr Alter wollen sie daher nicht nennen. „Man muss die ja nicht mit der Nase drauf stoßen“, sagt Kaaveh. Man wisse ja nie, wo die iranische Zensurbehörde ihre Spitzel habe.

Informationen im Internet:

www.daad-music.com

Sandra Stalinski

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