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Aus der Frühzeit. Historische Geräte wie dieser 1989 beim Tagesspiegel eingesetzte Homecomputer lösen heute eine gewisse Heiterkeit aus.

© Stefan Nowak

Historische Computer-Schau: Von Nixdorf bis Robotron

Alte Rechner mögen kaum Gebrauchswert haben, Tauschwert haben sie allemal, wie auf dem Vintage Computing Festival zu sehen ist.

Eine dünne Staubschicht hat sich auf dem längst ausrangierten Laptop abgesetzt. So viele Jahre stand er unbeachtet auf dem Dachboden herum, endlich muss mal aufgeräumt werden, und auch der mausgraue Toshiba Satellite Pro 400CDT/810 soll nun dran glauben. Ob er überhaupt noch funktioniert? Ein Stromkabel findet sich noch, aber etwas schwergängig ist der Deckel mit dem Bildschirm schon, so war es eigentlich immer.

Und auf Knopfdruck erstrahlt auf dem 10,4-Zoll-Bildschirm tatsächlich wieder die ganze Pracht von Windows 95. Ach, wie bescheiden, geradezu rührend! Statt einem Touchpad steht zum Bewegen des Cursors nur ein grüner Gumminippel mitten im sogar zweifarbigen Tastaturfeld zur Verfügung. Und neben dem CD-ROM-Fach hat er doch tatsächlich noch eines für Floppys, beide sogar austauschbar. Anschlussmöglichkeiten? Wenige, aber jeweils für Stecker mit vielen Kontaktstiften. Alter? So um die 20 Jahre, wahrscheinlich mehr. Speicherplatz? Nicht mehr bekannt, doch sicher sehr überschaubar, also weg damit!

Oder auch nicht. Denn ein prüfender Blick ins Internet, nur so für alle Fälle, ergibt durchaus noch ein gewisses Käuferinteresse an solch einer prähistorischen Datenverarbeitungsmaschine. Sie mag kaum noch Gebrauchswert besitzen, Tauschwert aber schon. Bis zu 150 Euro werden für solch einen alten Satellite Pro noch verlangt. Immerhin.

Von wegen Elektronikschrott. Alte Computer haben Sammlerwert. Und ein alter Commodore vermag auch jüngste Nutzer zu begeistern.
Von wegen Elektronikschrott. Alte Computer haben Sammlerwert. Und ein alter Commodore vermag auch jüngste Nutzer zu begeistern.

© Stefan Hoeltgen

Gut möglich also, dass der klobige, so lange missachtete Kasten als Ausstellungsstück beim Vintage Computing Festival Berlin noch auf ein gewisses Interesse gestoßen wäre. Seit 2014 findet es alljährlich im Herbst im Deutschen Technikmuseum am Landwehrkanal statt, aktuell wieder an diesem Wochenende. Es zieht vor allem als Aussteller wie als Besucher Menschen an, die sich diesmal nicht an nie genutzten Rechnermöglichkeiten und -kapazitäten ergötzen wollen, sondern am Sammlerwert historischer Computertechnik.

Ihnen bietet das Museum in der historischen Ladestraße in einigen Räumen für zwei Tage den Rahmen, den die Humboldt-Universität und der Verein „Abteilung-für-Redundanz-Abteilung“ (Afra), erklärtermaßen „ein offener Hackerspace in Berlin“, sowie über 50 Sammler und Retrocomputing-Enthusiasten aus Deutschland, Frankreich und Dänemark ausfüllen – mit Vorträgen, Fachsimpeleien und vor allem mit alten Computer-, Rechen- und Spielgeräten.

Eine Rechenmaschine von 1623 wird nachgebaut

Die älteste dieser Zauberkisten stammt sogar aus dem Jahr 1623, eine von Wilhelm Schickard entworfene Rechenmaschine – nun gut, nicht das Original, vielmehr eine Rekonstruktion aus Sperrholz, deren Entstehung am Stand verfolgt werden kann. Aber das Hauptaugenmerk liegt doch auf richtigen Computern und in einer Sonderausstellung denen aus Deutschland, verbunden mit Namen wie Leibniz, Zuse, Nixdorf und natürlich Robotron.

Der Hersteller aus der DDR – im Software-Sektor ist der Markenname noch immer präsent – wurde als VEB Kombinat Robotron vor 50 Jahren, am 1. April 1969, gegründet, das Jubiläum ist der Anlass für die Fokussierung des Festivals auf deutsche Computertraditionen.

Damals vor 50 Jahren kam auch der Robotron 300 auf den Markt, dessen Name sich aus der Zahl der Lochkarten herleitete, die das Lesegerät des Rechners pro Minute bearbeiten konnte. Selbstverständlich ist dieses Monstrum nur in handlichen Einzelteilen präsent, dafür erfährt man einiges über den ausgefeilten Kundendienst, den Robotron für seinen R300 anbot. Schließlich kostete so ein sozialistischer Superrechner drei Millionen DDR-Mark.

Das diesjährige Plakatmotiv des Vintage Computing Festivals greift den 50. Geburtstag der Apollo-11 Mission auf.
Das diesjährige Plakatmotiv des Vintage Computing Festivals greift den 50. Geburtstag der Apollo-11 Mission auf.

© Ralph Niese

Doch darf beim Vintage Computing Festival nicht nur gestaunt werden. Im Game Room präsentiert das Wandermuseum „Haus der Computerspiele“ über 20 alte Spielkonsolen und Heimcomputer zum Nachspielen. In der Reparierecke können, bei vorheriger Anmeldung, eigene Geräte wieder instand gesetzt werden, Löt- und Messgeräte, auch Bauteile stehen zur Verfügung. Und heute Abend locken DJ’s zur Chiptune-Party.

Erinnerungen an HAL 9000

Mehr außerirdisch geht es auf der ins Festival integrierten Kurztagung „Computer Space – 50 Jahre Hardware, Software und Wetware im Weltraum“ zu. Sie ist in diesem Jahr eigentlich Pflicht, schließlich liegt auch die erste Mondlandung genau ein halbes Jahrhundert zurück, die ohne das Zusammenwirken von Mensch, Hardware und Software nicht zustande gekommen wäre, wie bescheiden sich letztere gegenüber heutiger Computertechnik auch ausnehmen. Und selbstverständlich spielt in den Vorträgen auch der wohl berühmteste Weltraumcomputer eine Rolle: der HAL 9000 aus Stanley Kubricks „2002 – Space Odyssee“.

Das Festival findet am Sonnabend, 10 bis 20 Uhr, und Sonntag, 10 bis 17.30 Uhr, in der Ladenstraße des Technikmuseums statt (Zugang über Möckernstr. 26). Eintritt frei.

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