Die Idee, auf dem Tempelhofer Feld einen Flughafen zu bauen, ist den Berlinern zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ungreifbar fern. Das weite Feld erscheint dafür viel zu kostbar. Dabei ist der Himmel hier voll von tollkühnen Männern in fliegenden Kisten. Im August 1909 kreist Ferdinand Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff über dem Feld, bejubelt von 300.000 Berlinern. Wenige Tage später führt der amerikanische Flugpionier Orville Wright seine Künste vor, und Ende September gelingt dem Franzosen Hubert Latham der erste Überlandflug von Tempelhof zum Flugplatz Johannisthal.
Doch während die Luftikusse Kapriolen drehen, drücken die Reichshauptstadt bodenständige Probleme. Seit 1877 hat sich die Einwohnerzahl Berlins in nur drei Jahrzehnten auf zwei Millionen verdoppelt. Hunderttausende hausen unter teils menschenunwürdigen Verhältnissen in Mietskasernen. Die Wohnungsnot ist dramatisch, die Grundstückspreise heben ab, auch Spekulanten träumen vom Fliegen. Und zwar mit Ziegelsteinen.
Die Immobilienofferte des Militärfiskus, der 1908 als mehrheitlicher Eigentümer den Westteil des Tempelhofer Feldes zum Verkauf anbietet, löst geradezu fieberhaftes Interesse aus. Der damalige Übungsplatz der Berliner Garnison ist die letzte große unbebaute Fläche im Süden der Stadt, damals um knapp die Hälfte größer als die heutige Fläche. Das zum Verkauf stehende rund 150 Hektar große Areal reicht westlich des heutigen Tempelhofer Damms bis zum Eisenbahngraben der Dresdner Bahn an der Grenze zu Schöneberg.
Es ist das teuerste Grundstücksgeschäft im Deutschen Reich
Das Bauland ist begehrt. Der Berliner Magistrat gehört ebenso zu den Bietern wie die Dorfgemeinde Tempelhof, auf deren Gebiet das Gelände liegt. Freilich kann die Gemeinde das notwendige Kapital für das größte Grundstücksgeschäft im Reich nicht aus eigener Kraft aufbringen. Im Hintergrund drängt der Kreis Teltow zu der Großinvestition, der sich gerade erst mit dem Bau des Teltowkanals verspekuliert hat. Vom Grundstückskauf und der Vermarktung an Bauträger erhoffen sich Kommunalpolitiker und Investoren die Rettung aus der Schuldenfalle. Die "im Kreise maßgebenden Persönlichkeiten" handelten wie "waghalsige Spieler", schreibt die Zeitschrift "Die Bank" im Jahr 1910. "Sie verdoppeln den Einsatz, um den Verlust wieder wettzumachen."
Ein riskantes Geschäft. Die Deutsche Bank und die unterbeteiligte Dresdner Bank stellen der Gemeinde Tempelhof die nötigen Kredite zum Kauf des Feldes bereit. Es ist das bis dato teuerste Grundstücksgeschäft im Deutschen Reich: Für den Rekordkaufpreis von 72 Millionen Mark, die nun als Schulden auf der Gemeinde lasten, geht der Kreis Teltow eine Bürgschaftsverpflichtung ein. Diese sichern wiederum die Banken ab – allerdings nur bis zu einer Höhe von 25 Prozent. "Eine vielsagende Beschränkung!", schreibt die Bank-Fachzeitschrift und attestiert den Kommunalpolitikern "die leichtherzige Übernahme eines Risikos, das jeden Privatmann in die Gefahr brächte, entmündigt zu werden".
- Endlich Neubauten auf dem Tempelhofer Feld
- Furcht vor Spekulation und Mietskasernen
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