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Berlin: Hitler kopflos: Besucher zerstört Wachsfigur

Wenige Minuten nach Eröffnung der Ausstellung stürzte sich ein 41-jähriger Mann auf die Puppe

Adolf Hitler überlebte die Eröffnung des neuen Wachsfigurenkabinetts Unter den Linden nur ganze zwei Minuten. Ein 41-jähriger Kreuzberger, der die Ausstellung am Eröffnungstag als zweiter Besucher betreten hatte, riss der umstrittensten Figur der Ausstellung den Kopf ab. Die zerstörte Puppe verschwand danach aus der Kulisse des nachgebildeten „Führerbunkers“, am Montag soll klar sein, ob und bis wann die 200 000 Euro teure Figur repariert werden kann.

Dabei hatten die Ausstellungsmacher extra zwei Wachleute links und rechts des Schreibtischs postiert, an dem die sitzende Führerfigur düster vor sich hin brütete. Doch Andreas L. sprang einfach über den Tisch und stürzte sich auf die Wachspuppe. „Nie wieder Krieg“, rief L. und riss der Figur den Kopf ab. Während er mit dem Wachs-Hitler zu Boden fiel, stürzten sich die beiden Wachleute auf den Täter. Anschließend setzte sich Andreas L. auf den Boden und wartete auf die Polizei, die ihn kurz darauf festnahm. „Ich wollte gegen die Ausstellung der Hitler-Figur protestieren“, gab er beim für politische Delikte zuständigen Staatsschutz zu Protokoll. Nach der Vernehmung wurde L. wieder entlassen.

Der Mann aus Kreuzberg wurde wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung angezeigt. Einer der Wachmänner hatte nach dem Gerangel einen blauen Fleck am Bein. „Er hat eine unwahrscheinliche Energie entwickelt“, berichtete Sicherheitsmann Stephan Koch, „und hat sich dann regelrecht an Hitler geklammert.“ Erst als mehr Personal im nachgebauten Führerbunker eintraf, konnte L. von Hitler getrennt werden.

Der Täter Andreas L. ist bei der Polizei bisher durch Stromdiebstahl und Schwarzfahren aufgefallen, jedoch nicht mit politisch motivierten Straftaten. Er hatte sich am Morgen als zweiter Besucher in die Warteschlange vor dem Haus Unter den Linden 74 eingereiht, in dem gestern die neue Filiale des Londoner Wachsfigurenkabinetts von Madame Tussauds öffnete. Als Erster in der Reihe wartete Andreas Fischer aus Halle an der Saale auf Einlass, der sich eine Weile mit Andreas L. unterhielt, bevor sich die Türen zur Ausstellung öffneten. „Das war ein ganz normaler Mensch“, sagte Fischer. Über politische Dinge habe man nicht gesprochen, sondern „über Berlin, Touristen und die Arbeit und so“. Als sich um 10 Uhr die Türen öffneten, „habe ich mir erst Bismarck und Marx angesehen“ sagt Fischer. Diese beiden Figuren habe L. ausgelassen und sei – „ohne Eile“ – direkt zu Hitler in den dritten Ausstellungsraum gegangen.

„Hitler kaputt“, sagten die sowjetischen Soldaten nach der Eroberung Berlins 1945. Natalie Ruoß, Sprecherin von Madame Tussauds, formulierte es am Sonnabend differenzierter: „Wie hoch das Ausmaß des Schadens ist, können wir erst am Montag sagen.“ In Hamburg steht ein Wachs-Hitler seit 60 Jahren im „Panoptikum“, der Hitler in der Londoner Zentrale wurde jedoch schon öfter bespuckt und beschädigt. Der Berliner Wachs-Hitler liegt nun auf dem Behandlungstisch. Beschädigungen seien nicht selten bei Madame Tussauds, sagte die Sprecherin. „Es kommt öfter vor, dass es Kratzer gibt oder eine Hand abbricht.“

Die Ausstellung der Hitler-Figur hatte schon vor der Eröffnung eine heftige Debatte ausgelöst. Madame Tussauds hatte daraufhin der Hitler-Figur einen Kommentar hinzugefügt, in dem auf die Naziverbrechen hingewiesen wird. Zudem darf Hitler als einzige Figur nicht fotografiert werden. Und auch sonst macht es Madame Tussauds potenziellen Hitler-Bewunderern schwer: Neben dem Schreibtisch hängt eine Landkarte mit der Frontlinie von Ende 1944 – da stand die Sowjetarmee kurz vor der Oder.

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