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Berlin: Hochbegabt – und trotzdem außen vor

Superschnellläuferklassen sind beliebt, aber nur wenige hochintelligente Schüler bekommen einen Platz

Für den neunjährigen Paul war die Grundschule eine Qual. Im Unterricht hat er sich gelangweilt und schrieb schlechte Noten, in der Klasse hatte er keinen einzigen Freund und wurde von seinen Mitschülern gemobbt. „Paul ist eigentlich sehr sensibel, aber es kam so weit, dass er anderen Kindern die Nase blutig geschlagen hat, weil er das nicht mehr aushalten konnte“, sagt seine Mutter Astrid Fischer. Paul ist jedoch keineswegs schwer erziehbar, sondern hochbegabt. Deshalb konnte er den Wechsel auf ein Gymnasium mit Superschnellläuferklassen kaum erwarten. Beim Intelligenztest für die Aufnahme ist Paul trotz nachgewiesener Hochbegabung jedoch durchgefallen.

Jutta Billhardt vom Verein für Hochbegabtenförderung kritisiert die Berliner Superschnellläuferklassen deshalb heftig, wie gestern berichtet. Vor einem Jahr wurden die Sonderklassen zur Förderung von überdurchschnittlich Intelligenten eingeführt, die schon in elf Schuljahren zum Abitur führen sollen. Darin fänden sich laut Jutta Billhardt jedoch hauptsächlich normal begabte Kinder. Tatsächlich Hochbegabte blieben wieder auf der Strecke.

Die Hauptkritik richtet sich auf die zur Aufnahme verwendeten Intelligenztests. Hochbegabte würden hier häufig durchfallen, weil sie wieder unterfordert wären. „Durch ihre besonders komplexe Art zu denken, können sie einfachste Aufgaben oft nicht lösen, weil sie nach komplizierteren Lösungswegen suchen.“ Plötzlich etwa multiplizieren statt zu addieren – und Leichtsinnsfehler machen.

Die Schulverwaltung weist diese Vorwürfe zurück: „Man findet Hochintelligente nicht durch besonders schwere Testaufgaben.“ Es gebe keine besseren Tests als die in Berlin verwendeten, die darüber hinaus international standardisiert seien. Außerdem seien die Superschnellläufer nicht ausschließlich für Hochbegabte konzipiert. Auch in diesen Klassen wolle man die Heterogenität nutzen, so dass die Kinder gegenseitig voneinander profitieren könnten. „Wir wollen Hochbegabte auch nicht völlig isolieren“, so die Schulverwaltung.

Genau darin liegt für Jutta Billhardt aber das Problem. Dadurch werde das Niveau in den Superschnellläuferzügen derart gesenkt, dass für Kinder mit einem überdurchschnittlichen IQ wieder kein Platz mehr sei. Sie würden vielmehr auf die gleichen Probleme treffen wie in normalen Schulklassen: Ausgrenzung und Unterforderung.

Ein weiteres Problem sieht der Verein für Hochbegabtenförderung darin, dass auch Schulnoten und Vorschläge von Grundschullehrern in das Aufnahmeverfahren eingehen. Dadurch würden die Kinder begünstigt, die sich in das vorhandene Schulsystem gut einfügten.

Momentan befinden sich nach Angaben der Schulverwaltung in den Superschnellläuferzügen hauptsächlich Kinder mit einem IQ von 101 bis 115. Von Hochbegabung spricht man jedoch erst ab einem IQ von 130. Dies trifft auf etwa zwei Prozent der Gesamtbevölkerung zu. In Berlin wurden im letzten Jahr 976 Kinder für die Aufnahme in die Superschnellläuferzüge getestet. Von den rund 750 verfügbaren Plätzen wurden fast alle besetzt, obwohl nur bei einem geringen Teil der Schüler eine Hochbegabung vorliegt.

Sandra Stalinski

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