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Berlin: Hochschulmedizin: Visite im Franklin-Klinikum

Sie wagten sich weit vor, doch heftige Debatten und schräge Blicke brauchte die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses kaum zu befürchten, als sie gestern eine Rundfahrt über den Campus der Bio-Medizin des Universitätsklinikums Benjamin Franklin unternahm. Medizinisches Personal war rar, es gab kaum Begegnungen.

Sie wagten sich weit vor, doch heftige Debatten und schräge Blicke brauchte die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses kaum zu befürchten, als sie gestern eine Rundfahrt über den Campus der Bio-Medizin des Universitätsklinikums Benjamin Franklin unternahm. Medizinisches Personal war rar, es gab kaum Begegnungen.

Einen Tag, nachdem die Schließung des Klinikums vorerst abgewendet zu sein scheint, wagten sich 18 der 44 SPD-Abgeordneten, darunter Fraktions-Chef Michael Müller und Klaus-Uwe Benneter an den Ort, den es nach ihrer Sparentscheidung bald nicht mehr geben sollte. Immer noch müssen 98 Millionen Euro gespart werden. Davon dürften nicht nur das Steglitzer Klinikum, sondern auch die Charité in Mitte betroffen sein. Entsprechend wurden die einzelnen Stationen ausgewählt. "Es geht uns darum, zu zeigen, dass nicht nur die Charité auf ihre Leistung stolz sein kann. Auch wir blicken auf eine lange Geschichte zurück, und auch aus unseren Reihen sind zahlreiche Nobelpreisträger hervorgegangen", erklärt Manfred Gross, Prodekan für Studium und Lehre an der Freien Universität.

Mehrere Firmen standen auf der Besuchsliste, sie alle sind in Sichtweite zum Klinikum angesiedelt und arbeiten eng mit diesem zusammen. Erste Station war die Medlive GmbH in der Fabeckstraße. Gerade baut das Unternehmen ein neues Haus, aus dem ab März 2002 wissenschaftlich-medizinische Fernsehmagazine gesendet werden sollen. Dann wechselten die Abgeordneten zur Mologen AG, die generische Impfstoffe entwickelt. "Die Situation in Steglitz ist ideal", sagte Mologen-Chef Jürgen Wittig. Studenten seien wichtiger wissenschaftlicher Nachwuchs. Sollte das Klinikum geschlossen werden, müsste man sich nach anderen Standorten umsehen.

Sowohl Baustelle als auch Labore sind menschenleer. Auch an der nächsten Station, der Abteilung für molekulare Genetik des Max-Planck-Instituts, steigt nur der Direktor, Hans Lehrach, kurz in den Bus. "Die Besten sehen sich bereits woanders um", sagt Lehrach. Die Genomforschung sei auf die Medizin als Anwenderin ihrer Forschungsergebnisse angewiesen. Wohlwollend lächelnd folgen die Abgeordneten und danken mit müdem Applaus.

Klaus-Uwe Benneter, der sich schon in den letzten Wochen für die Erhaltung des Klinikums einsetzte, fühlte sich in seiner Meinung bestätigt. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller sprach von einer schwierigen Entscheidung, die nicht am grünen Tisch gefällt werden dürfe. Natürlich sei auch der Kontakt mit den Mitarbeitern wichtig. Den habe es zwar heute nicht gegeben. Aber in den entsprechenden Gremien seien sie zahlreich vertreten gewesen.

Ungläubig schüttelt Michael Foerster, Leiter der Augenklinik und ehemaliger ärztlicher Direktor des Benjamin Franklin den Kopf. "Mit mir hat niemand geredet." Das Krankenhaus sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. "Jeden Dienstag kommen rund 60 Patienten aus ganz Deutschland zu mir in die Tumorsprechstunde", sagt Foerster. "Die fahren danach nicht gleich wieder nach Hause, sondern bleiben ein paar Tage, schlafen in Hotels, gehen essen und einkaufen."

Foerster redet engagiert, beschreibt die "dramatische medizinische Unterversorgung" der Bevölkerung im Südwesten Berlins, sollte das Klinikum seinen Status verlieren. Aber kaum einer hört ihm noch zu. Die Politiker sind längst weitergezogen.

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