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Berlin: Hochtief dementiert den Spionagevorwurf

Eigene Unterlagen seien "zehn Stunden abhanden gewesen"Jörn Hasselmann Der Baukonzern Hochtief hat nachdrücklich den Verdacht dementiert, Industriespionage beim Konkurrenten um den Flughafenbau, IVG, betrieben zu haben. "Das ist alles unwahr", sagte Hochtief-Vorstand Wolfhard Leichnitz gestern.

Eigene Unterlagen seien "zehn Stunden abhanden gewesen"Jörn Hasselmann

Der Baukonzern Hochtief hat nachdrücklich den Verdacht dementiert, Industriespionage beim Konkurrenten um den Flughafenbau, IVG, betrieben zu haben. "Das ist alles unwahr", sagte Hochtief-Vorstand Wolfhard Leichnitz gestern. Es gebe auch keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Hochtief. Dass die Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung von Hochtief-Büros Dokumente der Bonner IVG Holding AG gefunden habe, sei völlig normal. Denn beide Konkurrenten hätten gegenseitig am 12. März 1999 weite Teile der jeweiligen Angebote kopieren dürfen, also ein halbes Jahr nach Abgabe der Gebote und auf Antrag der IVG. Das Kopieren sei unter Aufsicht einer Richterin im Vergabeüberwachungsausschuss geschehen. Von der Bietsumme von IVG habe Hochtief vorher keine Kenntnis gehabt, betonte Leichnitz. "Dann hätten wir nicht 650 sondern nur 410 Millionen geboten", betonte Leichnitz. IVG hatte zunächst nur 370 Millionen geboten, mittlerweile aber ebenfalls auf 650 Millionen aufgestockt.

Nach dem Spionage-Dementi ging Hochtief-Vorstand Leichnitz in die Spionage-Gegen-Offensive. In der entscheidenden Nacht vor Abgabe der Gebote im September 1998 seien die Hochtief-Unterlagen auf dem Weg von der Druckerei nach Berlin "für zehn Stunden abhanden gekommen". "Wir wissen definitiv, dass die Unterlagen kopiert wurden." Das sei kriminologisch festgestellt worden. Wer sich die Unterlagen entliehen habe, sei unklar. Die entscheidende Summe, die Hochtief bieten wollte, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht enthalten gewesen, "die habe ich drei Minuten vor Abgabe mit der Hand eingetragen", sagte Leichnitz. Zudem bestätigte Leichnitz, dass Unbekannte aus dem Hochtief-Büro, das das Gebot bearbeitete, Faxe an einen ebenfalls unbekannten Empfänger geschickt hätten.

Der Hochtief-Chef machte nicht näher benannte "politische Kräfte" dafür verantwortlich, dass der Konzern in den Verdacht der Industriespionage geraten sei. "Diese politischen Kräfte wollen das gesamte Projekt Flughafen kippen."

Unterdessen wird eine Neuausschreibung für den Großflughafen in Schönefeld immer wahrscheinlicher. Bundesverkehrsminister Müntefering verwies erneut darauf, dass eine Neuausschreibung des Milliarden-Projekts die denkbare Folge der jetzt laufenden Überprüfungen sein könnte. Der Regierende Bürgermeister Diepgen schließt ebenfalls eine Neuausschreibung nicht mehr aus.

Dagegen forderte Leichnitz von den Altgesellschaftern der BBF, schnell das weitere Vorgehen festzulegen. Eine Neuausschreibung würde das Milliarden teure Projekt um zwei Jahre zurückwerfen. "Den Leipzigern passt das hundertprozentig ins Konzept", meinte der Hochtief-Vorstand zu den Berliner Querelen. Die Privatisierung der Flughäfen war durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg am 3. August vorerst gestoppt worden. Geklagt hatte das unterlegene Konsortium IVG. Das Gericht hatte Hochtief den bereits erteilten Zuschlag für die BBF wieder entzogen. Die Gesellschafter haben die Projektplanungsgesellschaft PPS nach der OLG-Entscheidung noch für dieses Jahr mit der Einreichung des Planfeststellungsantrags beauftragt. Dadurch würden im Vergabeverfahren zwei Jahre gewonnen.

Der Chef der Berliner Senatskanzlei, Volker Kähne, dämpfte Erwartungen an das am Freitag stattfindende Treffen der Flughafen-Gesellschafter. Es sei unwahrscheinlich, dass Berlin, Brandenburg und Bund bis dahin genügend Klarheit bekommen könnten, um Beschlüsse zu fassen. Der Potsdamer Landtag wird sich am kommenden Mittwoch in einer Sondersitzung mit dem Stand befassen. © 1999

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