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Berlin: Hochwasser weg, Touristen auch

In der Prignitz hinterließ die Flut relativ geringe Schäden. Dennoch sind die Folgen hart – besonders beim Tourismus.

Lenzen - „Ein Wernesgrüner für die Wernesgrüner?“ Die Radler auf dem Elbdeich direkt in Mödlich in der Prignitz blicken sich kurz an, beratschlagen und folgen dann kurzerhand der Einladung des Gastwirts der „Alten Fischerkate“. Der kennt inzwischen die meisten Dialekte der Touristen und spricht diese dann gezielt in ihrer „Muttersprache“ an. „Das hat sich im Laufe der Jahre ganz von selbst ergeben“, sagt Peter Dressler im Schatten der Sonnenschirme. Er profitiert zweifellos von der Lage am – laut Allgemeinen Deutschen Fahrradclub – beliebtesten Fernradweg der Bundesrepublik. Doch in diesem Jahr erwies sich dies wochenlang als Nachteil. Fast den kompletten Juni blieben die Gäste aus, und auch jetzt kommen sie nur spärlich. Die Bilder vom Hochwasser schrecken viele Touristen nach wie vor von einem Ausflug in die Prignitz oder andere Brandenburger Regionen ab.

Dabei ist die Situation paradox. Denn genau wie beim großen Hochwasser 2002 hielten auch im Juni die Deiche in Brandenburg dem Druck der Elbe stand. Hier brach im Unterschied zu Sachsen und Sachsen-Anhalt kein Damm, so dass es weder im Raum Mühlberg im Südwesten noch in der Prignitz im Nordwesten zu größeren Schäden kam. Lediglich im kleinen Ort Breese bei Wittenberge drang das Wasser in die Keller mehrerer Häuser ein. Hier fehlt bisher ein leistungsstarker Damm. Ende des Jahres soll mit dem Bau begonnen werden.

Die größten Einbußen erlitten die Landwirte im Landkreis Havelland, weil hier das Hochwasser „planmäßig“ die Felder überschwemmte. Am zweiten Juni- Wochenende waren die großen Tore am Wehr in Quitzöbel am Zusammenfluss von Elbe und Havel hochgezogen worden, um den Pegel des großen Flusses um die entscheidenden Zentimeter zu senken. Mehrere Millionen Kubikmeter Elbwasser ergossen sich mehrere Tage in das Bett der Havel und brachten diese wiederum zum Überlaufen. „7,5 Millionen Euro Schaden meldeten die Bauern“, hieß es vom Landkreis. „Dazu kommen Schäden an der Infrastruktur in Höhe von weiteren 1,5 Millionen Euro.“ Die betreffen auch Teile des Havelradweges, der an einigen Stellen bei Rathenow noch unterbrochen ist.

Inzwischen haben sich die Radler aus dem Vogtland auf einem schattigen Platz in der Alten Fischerkate niedergelassen und genießen das Bier aus der Heimat. Auch sie seien anfangs etwas verunsichert gewesen, ob denn der Elberadweg durchgängig zu befahren ist, erzählen sie. „Aber dann waren wir doch überrascht, wie gut die Strecken in Schuss sind“, sagt einer der Radler. „Nur in Sachsen-Anhalt in der Nähe der gesperrten Eisenbahnbrücke über die Elbe bei Schönhausen mussten wir einige Umleitungen fahren.“ Gastwirt Peter Dressler hört die Worte gern. Das müsste sich nur überall herumsprechen, sagt er. „In vielen Regionen Deutschlands herrscht leider ein völlig falsches Bild von unserer Lage nach dem Hochwasser.“ Im Juni habe es nur Absagen gegeben, so dass er kein einziges seiner 32 Zimmer vermieten konnte. Dabei gehört der Juni zu den umsatzstärksten Monaten. In diesem Jahr seien die Verluste besonders schmerzhaft, weil die Saison nach dem kalten und nassen Frühjahr ohnehin erst spät begonnen habe.

Seinen Berufskollegen geht es da in der ganzen Prignitz nicht viel besser. „Die Einbußen liegen bei den meisten Betrieben zwischen 50 und 100 Prozent“, teilte der Tourismusverband mit. Alles hänge vom Elberadweg ab, sei er doch der wichtigste Baustein im regionalen Tourismus. Doch selbst im 25 Kilometer von der Elbe entfernten Perleberg leiden Hoteliers unter den unzähligen Absagen,und einige Betreiber kämpfen bereits ums Überleben ihrer Betriebe.

Auch in der Elbestadt Wittenberge sind noch genügend Übernachtungsplätze frei. An der Alten Ölmühle, wo im Juni täglich mehrere Hundert Freiwillige Sandsäcke gefüllt hatten, herrscht gespenstische Ruhe. In der Strandbar mit Blick auf die große Eisenbahnbrücke sitzen kaum Gäste. In der Ausstellung über die überstandene Flut macht es sich ein Radler aus Rüdesheim auf einem Sofa aus Sandsäcken bequem. Er reicht sein iPhone und bittet darum, ein Foto von ihm zu machen. „Die Freunde am Rhein sollen ruhig neidisch werden“, sagt Gerd Hochschneider und macht ein zufriedenes Gesicht. „Die haben sich einfach nicht auf den Elberadweg getraut und sind stattdessen an den Bodensee gefahren.“ Auch lange Recherchen im Internet hätten sie nicht umstimmen können. „Die wollten tatsächlich nicht als Gaffer bei den Aufräumarbeiten stören. Dabei ist hier alles in bester Ordnung.“ So wie die Männergruppe aus Wernesgrün behält auch der Radler aus Rüdesheim seine guten Eindrücke aus der Prignitz nicht für sich. Er veröffentlicht Fotos auf seiner Facebook-Seite und schreibt ein paar Zeilen über seine Erlebnisse an der Elbe. Die vielen Hoteliers und Gastwirte an der Strecke können die Werbung gut gebrauchen.

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