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In guten wie in schlechten Zeiten. Die Hochzeitsdienstleister wollen auch weiterhin für ihre Kunden da sein – doch in der Branche sieht es schlecht aus.

© Anja Mey

Hochzeitsbranche protestiert am Pariser Platz: Ja-Wort unter verschärften Bedingungen

Wegen der Pandemie-Beschränkungen ist die Hochzeitsbranche in der Krise. Mit einer Protestaktion am Pariser Platz wollen sie darauf aufmerksam machen.

Für Stefanie Frädrich haben sich die Arbeitsaufgaben in den vergangenen Wochen unverhofft verändert: Die selbstständige Hochzeitsplanerin ist von der Organisatorin der aufwändigen Traumhochzeiten zum psychologischen Auffangbecken für völlig verzweifelte Brautpaare und deren Familien geworden.

„Der Shutdown im März war so plötzlich und ein  Schock für alle“, beschreibt Frädrich. „Eine Hochzeit wird meistens ein bis zwei Jahre im Voraus geplant, das Ganze baut sich wie ein großer Spannungsbogen auf.“

Die Nerven lägen wenige Wochen vor dem großen Tag ohnehin schon bei vielen blank. Am am Höhepunkt kam der Corona-Shutdown. „Da flossen bei einigen meiner Kunden die Tränen“, sagt die Unternehmerin.

Während für die einen die Welt zusammenbrach, weil die Traumhochzeit seifenblasenartig geplatzt ist, stand für etliche andere – nämlich die Hochzeitsdienstleister – die Existenz auf dem Spiel.

Die Branche mit all ihren Gewerken, von den Caterern, Dekorateuren, Hotels, Restaurants, Fotografen und Videofilmern, Goldschmieden, Floristen oder Traurednern, ist in die Krise gerutscht. Für viele gab es aufgrund der Pandemie-Einschränkungen gar keine Arbeitsmöglichkeit mehr, von heute auf morgen brach ein Großteil der Jahreseinnahmen weg.

Wedding-Planner. Stefanie Frädrich organisiert Hochzeitsfeiern von A bis Z. Doch viele Paare müssen den vermeintlich schönsten Tag ihres Lebens verschieben.
Wedding-Planner. Stefanie Frädrich organisiert Hochzeitsfeiern von A bis Z. Doch viele Paare müssen den vermeintlich schönsten Tag ihres Lebens verschieben.

© Katrin Andrzejewski

Der Bundesverband der Hochzeitsdienstleister (BvdH)  rechnet allein für das Frühjahr 2020 deutschlandweit mit Verlusten von 800 Millionen bis zu einer Milliarde Euro deutschlandweit.

Deshalb hat er für Dienstag zu einer Protestveranstaltung aufgerufen, an der sich die Mitglieder in etlichen Städten beteiligen. So wird in Berlin ab 10 Uhr auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor eine 30 Meter lange Hochzeitstafel mit 95 Stühlen, Tischdekoration und Torten-Attrappen aufgebaut. Unter dem Motto: „Stand up for love – Die Hochzeitsbranche in der Krise“ wollen Frädrich und ihre Mitstreiterinnen und -streiter aus der Dienstleistungsbranche sich unter Wahrung der Hygiene- und Abstandsregeln hinter der Tafel versammeln und mit Plakaten auf die „lebensbedrohliche Situation in der Branche, den Stillstand“ aufmerksam machen.

Nur standesamtlich durfte noch geheiratet werden

Stillstand? Heiraten ist doch auch in Coronazeiten erlaubt. „Das schon, aber hier fangen die Kommunikationsprobleme bereits an“, sagt Frädrich.

Standesamtliche Eheschließungen habe es seit dem Shutdown weiterhin gegeben, aber anfangs war nur das Paar zugelassen, einige Zeit später durften zumindest zwei Trauzeugen anwesend sein, und jetzt, sagt Frädrich, habe jedes Standesamt – je nach Größe und Möglichkeit – unterschiedliche Vorgaben. „Einige lassen bis zu 20 Teilnehmer zu, bei anderen sind nur vier erlaubt.“

Doch die Hochzeitsdienstleister leben ohnehin nicht von den standesamtlichen Trauungen, deren engster Kreis im Anschluss noch irgendwo gemeinsam Mittagessen geht. „Wir leben von dem ganzen Festakt drumherum“, sagt Frädrich.

Vor allem bei den Berlinern lägen Feste in Brandenburg stark im Trend. Für die meisten ihrer Kunden kommt es auf drei Parameter an: Eine Hochzeit im Grünen, in der Nähe vom Wasser und möglichst an einem Samstag.

Vor allem die „freien Trauungen“, die also kirchlich ungebunden, „aber von der großen Zeremonie und der Emotionalität genau wie eine kirchliche Hochzeit ausgestaltet sind“, würden immer beliebter.

Durchschnittlich 10 000 Euro geben Paare für eine Hochzeit aus - viele deutlich mehr

Und diese bedeuten nicht nur eine lange Vorbereitungszeit, sondern kosten auch einiges: 10 000 Euro gibt statistisch ein Paar durchschnittlich für eine Hochzeit mit 30 bis 50 Gästen aus. „Viele meiner Kunden liegen mit ihren Ausgaben sogar noch höher, eher bei 20000 bis 25000 Euro“, sagt Frädrich. Da hänge von der Auswahl der Location, über das Essen, die Deko bis zum DJ eine Menge dran. Die einzelnen Dienstleister seien hauptsächlich Soloselbstständige – wie Frädrich auch.

Zwar habe es sowohl in Berlin als auch in Brandenburg, wo sie ihren Firmensitz hat, Soforthilfen gegeben. „Doch rückwirkend wurde uns mitgeteilt, dass das Geld nur für die Betriebskosten verwendet werden darf, nicht aber für den Lebensunterhalt“, schildert sie. Sie arbeite meist bei den Kunden und den Locations, sei viel im Auto unterwegs und habe kein eigenes Büro mit hohen Kosten.

Doch die Miete, das Essen, die Altersvorsorge und Versicherungen müssten weiter gezahlt werden. „Wovon sollen Soloselbstständige denn leben?“

Zwar habe sie Glück, dass ihr Mann auch in der Krise ein festes Einkommen hat, „aber darauf können andere nicht bauen. Und wo kommen wir Frauen denn dahin, wenn wir uns wieder vom Mann abhängig machen müssen?“ 

Eine bessere finanzielle Hilfe ist eine Forderung bei der heutigen Protestaktion.

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Obwohl die wirtschaftliche Lage für die Dienstleister so schlecht ist, arbeite der Großteil weiter, heißt es beim Verband. „Wir sind vor allem damit beschäftigt, die Termine, die geplatzt sind in den Juli oder in den Herbst zu verschieben“, erzählt Frädrich. Problem: Vor allem der begehrte Samstag sei so gut wie überall schon lange belegt. Und weil die Beschränkungen sich teilweise mehrfach die Woche änderten, hätten viele Paare ihre Hochzeitspläne auch gleich ins nächste Jahr verschoben – oder ganz abgesagt. Muss der Mundschutz die ganze Zeit getragen werden? Auch beim Ja-Wort? Wie darf getanzt werden, nur gruppenweise und mit Abstand? All diese Fragen muss Frädrich den Kunden beantworten. Eine Hochzeit sei ein sensibles Thema. Einen runden Geburtstag könne man nachfeiern oder verschieben. „Aber heiraten ist etwas Besonderes: Das macht man in der Regel nur einmal im Leben – da sollte schon alles richtig schön sein.“

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