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Berlin: Hofgarten im Voltaire-Hotel, Friedrich-Ebert-Str. 88, Potsdam, Tel. (0331) 2317-0, geöffnet: täglich ab 12 Uhr geöffnet, kein Ruhetag, Kreditkarten: alle Kreditkarten

Da liegt sie nun. Klein und unscheinbar, aber doch für Außenstehende nahezu unüberwindlich: die Schwelle.

Da liegt sie nun. Klein und unscheinbar, aber doch für Außenstehende nahezu unüberwindlich: die Schwelle. Nirgendwo ist sie tückischer als vor den noblen Hotels, und die noblen Potsdamer Hotels geben sich gegenüber hergelaufenen Passanten besonders abweisend, architektonisch, versteht sich. Dabei würde kaum ein Hoteldirektor, der bei Trost ist, ableugnen, daß er auf die Ortsansässigen ebenso angewiesen ist wie auf Gäste aus Übersee - und sei es nur, weil im Zweifelsfall die Einheimischen die Zimmer für ihre auswärtigen Besucher buchen.

Also sind speziell die Hotelrestaurants immer zu groß und zu leer. Geradezu modellhaft läßt sich dieses Phänomen im Voltaire-Hotel in der Friedrich-Ebert-Straße besichtigen, das zweifellos eins der besten Restaurants der Stadt hat. Aber wer weiß das? Soll es überhaupt jemand wissen? Man gelangt durch eine unscheinbare Einfahrt auf den Innenhof, betritt die Halle, geht an der Rezeption vorbei, kommt zu einem Eingang - und erfährt nun endlich erstens, daß es überhaupt ein Restaurant gibt, zweitens, was auf der Speisekarte steht und drittens, was das kostet. Wetten, daß 95 Prozent aller potentiellen Potsdamer Laufkunden nicht bis zu diesem Punkt vordringen?

Es ist also relativ sicher, daß der Besucher dieses Restaurants viele Tische zur Auswahl hat und praktisch nur Zugereiste und Reingeschmeckte sieht. Da sich die freundlichen Damen vom Service von Anfang an viel Mühe geben, fühlt man sich dennoch wohl. Mein größtes Problem mit dem "Hofgarten" bestand immer darin, daß die Küche nie in die Gänge kam und mich sinnlos Stunden meines Lebens gekostet hat. Das scheint neuerdings gottlob vorbei zu sein: Diesmal ging alles geradezu auffällig zügig.

Ein anderes Problem dieses Restaurants sind die gelegentlichen Abweichungen des Speisekartentextes von der Realität auf dem Tisch. Diesmal waren die versprochenen "eingemachten Sommertrüffel" zur - ausgezeichneten - Hummercremesuppe so sorgfältig eingemacht, daß wir sie trotz aller Anstrengung nicht finden konnten. Komplett auf den Tisch kam die gebratene Entenbrust mit Blauschimmelparfait und Feigen-Orangensalat. Das klingt ein wenig überladen, paßt aber in allen Details harmonisch zusammen und wird hier handwerklich sicher präsentiert.

Auch diese Küche hat noch eine Schwelle zu überschreiten. Es ist der Abschied von den rituellen bunten Gemüsen, die ohne Rücksicht auf kulinarische Logik zu allen Hauptgängen gepackt werden. Ja, ich weiß: Unerfahrene Gäste finden das toll, der Chef erspart sich die mühselige Suche nach der einzigen wirklich passenden Kombination, und Möhren und Broccoli und Maiskolben und Zuckerschoten kann auch der ungeschickteste Lehrling ins kochende Wasser werfen. Aber gute Küche ist nun mal kein Exerzierfeld für Rationalisierungsberater. Also kosteten wir Rochenflügel, frisch und genau gebraten, mit sanfter Kapernbutter und Kartoffeln, die außer ihrer makellosen Form nichts zu bieten hatten, hart, glasig, geschmacksfrei und offenbar lange vorbereitet. Ausgezeichnet dagegen das gefüllte Perlhuhn mit einer substantiellen Honig-Koriandercreme und einem Kartoffelsoufflé - wer das kann, müßte auch Kartoffeln kochen können, nicht wahr?

Die Desserts waren hier schon immer eine sichere Sache, und man ist so stolz drauf, daß sie auf einer eigenen Karte präsentiert werden. Café-Eis in einer Mandeltulpe mit Fruchtsalat schlicht und gut, Pumpernickel-Creme mit Rotweineis ebenfalls gelungen, aber mit Trauben und einer roten Fruchtsauce und werweißwas noch ein wenig überladen. Die Weinkarte zählt mit einer Vielzahl guter Namen vor allem aus Deutschland zu den besten der Stadt, hat sich allerdings seit der Eröffnung nicht erkennbar weiterentwickelt.

Daß all das nicht billig sein kann, ist klar, aber die Preise - Hauptgerichte bis 35, Vorspeisen um 15, Desserts um 12 Mark - sind dem Gebotenen durchaus angemessen. Ich kann einen Besuch empfehlen. Reintrauen müssen Sie sich allerdings allein.

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