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Einsatz fürs Denkmal: Dietmar Miehlke ist seit 2017 Geschäftsführer des Vereins „Patent Papierfabrik Hohenofen“.

© Anja Reinbothe-Occhipinti

Technisches Denkmal in der Prignitz: Bunte Pläne für die historische Papierfabrik

Seit 1838 wird in Hohenofen Papier hergestellt. Nun will ein Verein die alte Fabrik wiederbeleben - mit einem Museum, viel Kultur und Gewerbe.

Mannshohe Papierrollen stehen in einer menschenleeren Halle mit viel Patina. Es ist still, keine Maschine rattert mehr in der Papierfabrik Hohenofen nahe Neustadt an der Dosse. Auf der Banderole um eine der Papierrollen ist der 23. Juni 1990 notiert. Knapp dreieinhalb Monate später, am 3. Oktober, stellte man hier, rund 80 Kilometer nordwestlich von Berlin, die Produktion ein.

Mehr als hundert Beschäftigte verloren ihre Arbeit, sagt Dietmar Miehlke. Er selber kam erst im Juli 2017 hierher. Miehlke ist Geschäftsführer des Vereins „Patent Papierfabrik Hohenofen e.V.“. Seit 2003 kümmern sich die Mitglieder um die Erhaltung des technischen Denkmals, dessen Geschichte bis 1838 zurückreicht.

Maroder Anblick - großes Potential. Die einstige Papierfabrik in Hohenofen.
Maroder Anblick - großes Potential. Die einstige Papierfabrik in Hohenofen.

© Anja Reinbothe-Occhipinti

Seitdem gab es bereits Rocknächte, Trödelmärkte, einen Weihnachtsmarkt, automobile Oldtimertreffen, Lesungen, Konzerte. Außerdem entstand ein kleines Gewerbezentrum mit Manufakturen. Im einstigen Lumpenhaus gibt es Ateliers für Workshops, eine Ledermanufaktur, Autowerkstatt, Mosterei sowie die „Blütenmeer-Imkerei“, eine der größten Bio-Imkereien Deutschlands. Doch jetzt hat der Verein noch weitreichendere Pläne.

Früher wurde das Papier aus Lumpen hergestellt

Dietmar Miehlkes Büro changiert zwischen Ostcharme und gründerzeitlichem Altbau. Zu DDR-Zeiten wurde das gesamte Transparent-Zeichenpapier für den damaligen Ostblock aus dem Dorf geliefert. Hergestellt habe man das Knisterpapier aus Zellstoff, sagt Miehlke. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurden für die Papierproduktion Lumpen genutzt.

Begonnen hatte die Herstellung in Hohenofen, als die „Königliche Seehandlung Berlin“ 1938 den Standort erwarb. Nach 1850 wechselten die Eigentümer der Papierfabrik häufig. 1953 ging sie als Zweigwerk der „VEB Feinpapierfabriken Neu Kaliß“ ins sogenannte Volkseigentum über. Bis 1990 ratterten die Maschinen, 1992 wurde ein letzter Versuch gestartet, wieder in die Zellstoffaufbereitung einzusteigen. Es funktionierte nicht.

Ein Imker erlöste die Fabrik aus dem Dornröschenschlaf

Der Kieler Papierfabrikant Ernst Felix Rutsch hatte das Werk zwar von der Treuhand gepachtet, doch es versank in einen Dornröschenschlaf. Erst der Eigentümer der Blütenmeer-Imkerei, Christoph Steinhauer, erlöste die Fabrik, indem er sie kaufte und im April 2003 für 25 Jahre an den Verein „Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V.“ verpachtete.

Die einstige Technik ist in vielen Fabrikräumen noch erhalten.
Die einstige Technik ist in vielen Fabrikräumen noch erhalten.

© Anja Reinbothe Occhipinti

Der Verein will den Ort künftig noch stärker beleben (Papierfabrik Hohenofen, Telefon: 033970939884, www.papierfabrik-hohenofen.de). „Bislang gab es kein festes Konzept, auch nicht für den Aufbau eines Papierfabrik-Museums“, erklärt Miehlke. Das soll sich innerhalb der nächsten fünf Jahre ändern. So wurden Kontakte zum Berliner Kulturmanagement-Unternehmen „X:hibit“ geknüpft. Mit Hilfe eines Förderprogramms will man die Fassade verschönern und die Maschinen aufarbeiten.

Stück für Stück soll das technische Denkmal zum Museum, zur Kulturstätte und zu einem größeren Gewerbezentrum umgestaltet werden.

Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin kommen schon regelmäßig zu Exkursionen nach Hohenofen. Namhafte Künstler will der Verein in die Papierfabrik holen. Zum ersten Poetry Slam kam auch Szenestar Noah Klaus auf die Fabrikbühne.

Im einstigen Schaltraum wird künftig Theater gespielt

Der Wahlbrandenburger Dietmar Miehlke hat viele Jahre in Berlin eine Künstleragentur geführt und Veranstaltungen organisiert. Nun nutzt er seine Kontakte. Im Schaltraum im Erdgeschoss will er jetzt die Theaterbühne aufbauen, im Obergeschoss eine Galerie. Daneben öffnet sich der imposante Holländersaal mit teils uralten Geräten. Sie haben noch die kunstvoll geschwungenen Steuerräder von anno dazumal.

In den „Holländerbecken“ wurde der Faserbrei aus Lumpen zusammengemischt und eine Etage tiefer durch die Papiermaschine gewalzt und gepresst. „Hinten kam die Maische rein, vorne das Papier raus“, erklärt Mielke. Diese „Taktstraße“ ist komplett erhalten und als technisches Denkmal weltweit nahezu einzigartig. Wie hier einst Tag und Nacht gearbeitet wurde, hat der Verein zum vergangenen „Tag des Offenen Denkmals“ visuell und akustisch dokumentiert. Die Geräuschkulisse wurde in einer noch laufenden Papierfabrik aufgenommen und früheren Angestellten vorgespielt.

Noch in diesem Jahr soll die Galerie eröffnen, außerdem ein Café mit Hofladen und ein Antiquariat. Die Betreiber sind voller Optimismus: Die Papierfabrik Hohenofen werde weiterhin Geschichte schreiben. „Vielleicht auch irgendwann mal wieder auf ihrem eigenen Papier.“

Anja Reinbothe-Occhipinti

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