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Architekt Peter Eisenman: "Der Ort der Information könnte doppelt so groß sein."

© dpa

Holocaust-Mahnmal: Bürgerfest am Stelenfeld

Erfolgsgeschichte Holocaust-Mahnmal: 2,3 Millionen Besucher in der Ausstellung in fünf Jahren, noch viel mehr im Stelenfeld, 10.000 Führungen und andere Veranstaltungen. Nur das Museum findet Architekt Eisenman zu klein.

Während sich oben wie jeden Tag die Touristenbusse stauten, wurde unten, im Ort der Information auch ganz offiziell die Erfolgsgeschichte Holocaust-Mahnmal gefeiert: 2,3 Millionen Besucher in der Ausstellung in fünf Jahren, noch viel mehr im Stelenfeld, 10.000 Führungen, Projekttage und andere Veranstaltungen.

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, grauer Anzug, Deutschlandfahnenanstecker, ist voll des Lobes und bekennt, dass ihn das Stelenfeld "noch mehr berührt und anfasst, als ich mir das vorstellen konnte". Dann kommt Lea Rosh an die Reihe, die 20 Jahre mit ihrem Förderverein für die Errichtung des Mahnmals inmitten der Hauptstadt gestritten und geworben hat. Und Lea Rosh tut auch an diesem Morgen, was sie immer tut: Sie macht Werbung – diesmal für eine Ausstellung im angrenzenden provisorischen Pavillon, die die Geschichte des schwierigen Entstehungsprozesses des Mahnmals dokumentiert.

Während sie so spricht und wirbt, kann Peter Eisenman neben ihr ein ironisches Lächeln nicht unterdrücken. So viele Affären hatten Rosh und Eisenman während des langen Entstehungsprozesses des Mahnmals durchlitten – man denke nur an die Zahngold-Degussa-Debatte. Und irgendwie erinnern Rosh und Eisenman nun an ein altes Ehepaar: er der Empörer, sie die Empörte.

Er wolle die fünfjährige Ruhe nicht stören, sagt Eisenman, der Stararchitekt, der an diesem Morgen extra aus New York angereist ist, um diese Ruhe ein wenig aufzumischen. Dafür lieben ihn die Journalisten, sonst wäre Eisenman nicht Eisenman. An diesem Dienstag wirft er den Begriff Heimat in die Runde. Er habe sich gerade den Film "Heimat" von Edgar Reitz angeschaut, und, ja, so wie Reitz den Deutschen vor 25 Jahren mit dem Film die Möglichkeit gegeben habe, sich dem Phänomen Heimat anzunähern, so habe er wohl den Deutschen mit dem Mahnmal etwas wie die Möglichkeit zur freien Erinnerung zurückgeben wollen. Denn die Erinnerung an den Holocaust sei den Deutschen doch ganz schön von den Alliierten aufgezwungen worden, sagt Eisenman. Das Stelenfeld gebe keine Antworten vor, jeder könne beim Spaziergang seine Gedanken schweifen lassen.

So ist Berlin, so ist das Stelenfeld, und genau so ist es gut

Er sei froh und stolz, dass sein Konzept aufgegangen ist, dass das Mahnmal einen Platz im Alltag der Menschen gefunden hat. Dass zwischen den Stelen auch gelacht, geküsst und herumgesprungen wird, war das, genau das, was er sich gewünscht hatte. Auch dass mittlerweile 2200 der 2711 Stelen Risse bekommen haben, stört ihn nicht. "Um ehrlich zu sein, ich bin überrascht, in welch gutem Zustand sie sind", sagt Eisenman. Natürlich gibt es eine Erklärung dafür, dass der Beton bröckle. Aber er, Eisenman, könne die Erklärung nicht geben. "Da müssen Sie meine Ingenieure fragen. Ich bin da, um die philosophischen Fragen zu beantworten, nicht die praktischen." Aus dem ironischen Lächeln ist ein breites Grinsen geworden. Herrlich, wie immer.

In einer Sache aber habe er sich getäuscht, sagt der Architekt. "Der Ort der Information könnte doppelt so groß sein." Eisenman selbst hatte das unterirdische Museum einst vehement abgelehnt, aus Sorge, das Stelenfeld verkomme zu einem puren Annex. Nun sehe er ein, dass die vielen Aktivitäten mehr Raum bräuchten. "Eine moderate Erweiterung wäre nicht schlecht", findet Eisenman. "Das finde ich nicht", entgegnet Lea Rosh, die einst für den Ort gekämpft hatte. Gerade weil die Räume so klein seien, würden sie nicht abschreckend wirken, etwa auf Schüler, die so schon immer sorgenvoll fragten, wie lange der Rundgang dauere.

Mit dieser wohlwollenden Unterschiedlichkeit begeben sich Rosh und Eisenman hinauf in das Stelenfeld, posieren für Kameras und Mikrofone – während sich wie immer viele Besucher in den Stelen verirren. Dass hier gerade der Stararchitekt und die Starwerberin interviewt werden, interessiert niemanden. So ist Berlin, so ist das Stelenfeld, und genau so ist es gut.

Am Mittwoch lädt der Denkmal-Förderkreis zur Bürgerfeier und eröffnet die Ausstellung „Fünf Jahre Denkmal – 20 Jahre Förderkreis“ (Pavillon, Cora-Berliner Straße, ab 17 Uhr). Um 20 Uhr gibt es eine Diskussion in der Akademie der Künste, u. a. mit Peter Eisenman, Lea Rosh, György Konrád, (Pariser Platz 4).

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