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Holocaust-Mahnmal

© dpa

Holocaust-Mahnmal: "Das sind Tränen, die herunterlaufen"

Rund 400 Stelen des Holocaust-Mahnmals haben Risse und Löcher. Deswegen muss es jetzt saniert werden. Touristen reagieren ganz unterschiedlich auf die Veränderungen.

Viele Touristen sind Dienstagvormittag im Stelenfeld. Eine Frau streicht einer Stele über die glatte Betonhaut, bis ihre Hand stockt. Es ist nicht der Riss, es sind die weißen Fäden, die irgendwann aus ihm getropft sind und sich verhärtet haben. Fünf fühlbare Streifen nebeneinander, auf einer Länge von mindestens zwei Metern. „Das sind Tränen, die herunterlaufen“, meint die Frau. Sie sagt, dass sie dabei an die Tränen denkt, die Juden geweint haben, an die das Holocaust-Mahnmal erinnert.

Die Tränen sind weiße Schlieren, die dem dunkelgrauen Beton ein Muster geben. Rund 400 der 2711 Betonstelen sind, wie berichtet, von Rissen befallen. Am Dienstag sind auch Fernsehteams bei den Stelen, um die Schäden im Bild festzuhalten. Sie hätten eine Weile suchen müssen, sagt eine Kamerafrau. Vor allem die kürzeren Stelen, gerade in Höhe der Hannah-Ahrendt-Straße, neigen offenbar zu Rissen. Die ziehen sich über die Oberflächen der Betonsäulen, die Seiten herunter, dort kommt es dann bei manchen Stelen zu den Schlieren, die nichts anderes als Kalk sind, der durch das Wasser in den Rissen herausgewaschen wird. So erklärt es ein Ordner den Besuchern, die danach fragen. „Das sieht nicht schön aus.“ Ein anderer Tourist meint, für ihn seien Risse keine Schäden, „das ist normal bei Beton“, sagt er, „baubedingt“.

Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden und der Architekt Peter Eisenmann finden es aber nicht normal, wie schnell die Schäden an dem Mahnmal auftreten, das knapp über zwei Jahre alt ist. Möglichst bis zum Herbst soll Kunstharz in die Risse gespritzt werden, „wir arbeiten daran, wie wir das mit der Ästhetik hinkriegen“, sagt Stiftungsgeschäftsführer Uwe Neumärker. Oberhalb der Toleranzgrenze für Risse gelte die Gewährleistungspflicht der Baufirma. Angaben über Kosten seien noch nicht möglich.

Schmale Haarrisse müssen vom Auftraggeber toleriert werden. Es gibt aber Risse, die deutlich breiter sind, sich zu Löchern entwickelt haben, an manchen Stelen sind es gleich mehrere. Aber je tiefer es ins Innere des Stelenfeldes geht, da, wo die Säulen bis zu 4,70 Meter hoch sind, um so intakter ist es. Besucher sind hier besonders ergriffen, und Fragen nach Rissen und porösem Material stellen sich nicht. Manche Betrachter wundern sich über Schuhabdrücke in drei, vier Metern Höhe. Als ob Mahnmalbesucher zuweilen zwischen Stelen verbotene Kletterversuche wagten.

Erste Risse an Stelen waren schon sieben Monate nach der Eröffnung aufgefallen. Damals war von Frostschäden die Rede, von vertraglich festgelegten Rissweiten zwischen 0,10 und 0,15 Millimetern. Diese Grenzwerte wurden damals stellenweise überschritten. Der Projektleiter der Baufirma betonte, niemand könne rissfreien Beton herstellen.

Neben dem Mahnmal, auf dem Gelände der Landesvertretung Niedersachsens, stehen derzeit fünf vergoldete Barockfiguren auf Stelen. Das reizt manchen Betrachter zum Vergleich. Auf zumindest einer der Stelen ist ein kleiner Riss zu sehen.

Christian van Lessen

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