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Operation am offenen Herzen. Mitten in der alten Stadtmitte wird das Schloss als Neubau mit Fassadenteilen wieder entstehen.

© dpa

Humboldt-Forum in Berlin: Der Grundstein für das Stadtschloss ist gelegt

Das Stadtschloss kann kommen: Bei der Grundsteinlegung fürs Humboldt-Forum in Berlin meinte Peter Ramsauer: „Man darf sich auch mal freuen“ – und das Publikum gehorcht gern.

An den Einstecknadeln sind sie zu erkennen: Den Adler in schwarz-rot-gold tragen die Sicherheitsbeamten von Bundespräsident Joachim Gauck im Knopfloch – eine Gold schimmernde Miniatur der barocken Schlossfassade die Förderer des Wiederaufbaus, des größten Kulturprojekts der Bundesrepublik. Eine Dame mit komplexem Mädchennamen, Freiin von Marecken zu Geerath aus Hameln, zählt zu ihnen. „Eigentlich Frau Borkart“, sagt sie augenzwinkernd, denn so heißt sie seit ihrer Heirat. Sie ist mit Ehemann Dietrich und den Lücke-Bäders aus Hameln angereist, wegen der Grundsteinlegung für das Schloss, pardon, für das Humboldt-Forum. Frau Borkart ist einer von 700 Gästen unter strahlend blauem Himmel.

Es würde zu weit führen zu erklären, warum die Adlige aus Welfischen Gebieten eigentlich Preußin ist und daher kein Widerspruch zu ihrem Engagement in Berlin besteht, nur so viel: Das hat mit der Ehelichung des großen Kurfürsten zu tun. Und ohnehin sind aristokratische Genealogien nicht der Antrieb der kleinen Reisegesellschaft, sich zu engagieren. Ihnen geht es um Sinn und Zweck des Baus, „ein Haus für die Kulturen der Welt zu werden“, wie Friedrich Lücke-Bäder sagt. Und das ist der gemeinsame Nenner, von verhaltenen und glühenden Befürwortern des Projektes an diesem Tage.

Aber der Reihe nach. Die angemeldete Demonstration der Schlossgegner beschränkte sich auf einen symbolischen „Trauerzug um die Schlossfreiheit“ von zwei Dutzend Aktivisten. Auch die Initiative „Glokal“, die in dem Projekt die Zurschaustellung „kolonialer Beutekunst hinter Preußischen Mauern“ erkennt fiel der mit 90 Mann angerückten Polizei nicht unangenehm auf. Von ihnen war hinter den Bauzäunen, hinter dem scharf kontrollierten Zugang, nichts zu hören.

Leidenschaftliche Ansprache vom Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger

Dafür gab es Verständnis für jene, die in den ethnologischen Sammlungen einen streitbaren Schatz erkennen, weil er aus Zeiten kolonialer Herrschaftsträume des Kaiserreichs stammt. In einer leidenschaftlichen Ansprache an die Festgesellschaft gelang es dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, das Bild einer Bildungs- und Kultureinrichtungen für die Völker der Welt zu zeichnen, das die Öffentlichkeit bisher nicht recht erkennen konnte.

Parzinger sagte, man wisse sehr wohl, was es bedeutet, dass einiges aus den Sammlungen mit einem „schmerzhaften Teil der Geschichte“ jener Länder verbunden ist, deren Kultur die Stücke bezeugen. Deshalb gehörten den Kuratoren auch „Nachfolger jener an, die diese Werke schufen“. Zum Projekt der Versöhnung soll das Humboldt-Forum also gleichsam sein, eine „große Chance“ für die Welt, einen Ort zu schaffen, der dem Dialog und der Versöhnung der Völker gewidmet ist.

Parzinger machte deutlich, dass das Humboldtforum als Kultureinrichtung im Zentrum Berlins deshalb „legitimiert“ sei, weil dieser Ort immer schon mit Kultur „aufs Engste verwurzelt war“. Im Schloss waren die Preußischen Kunstsammlungen ursprünglich ausgestellt, es gab eine königliche Bibliothek und eine Kunstkammer. Die Museumsinsel entstand, als es mehr Platz brauchte für die ausufernde Sammlung. So gesehen sei das Humboldt-Forum eine „Rückbesinnung auf die Tradition des Bildungs- und Kulturstaates Preußen“ – das „Beste von Preußen weiter entwickelt“: mit „Kino, Performance, Theater und Podiumsdiskussionen“ zur Bühne der Weltkulturen.

Ob die Veranstalter durch die Platzierung der Musiker im Programm deutlich machen wollten, dass sie den Kulturen der Welt ganz nahe kommen, die Tradition dagegen auf Distanz halten wollen? Das Blechbläserensemble der Staatskappelle Berlin jedenfalls spielte aus sicherer Distanz von der Dachterrasse der Humboldtbox aus eine Suite aus Henry Purcells „Abdelazer“. Für Saichu Yohansyah dagegen war Platz direkt an der Bühne. Der Klangkünstler entlockte dem Javanesischen Gong, der jüngsten Anschaffung der Dahlemer Museen, ganz erstaunliche Klänge.

Dass der Chef der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“, Manfred Rettig, die anschließende Talkrunde mit Bundesbauminister Peter Ramsauer, Staatsminister für Kultur Bernd Neumann und Berlins Regierendem Klaus Wowereit „statt langer Reden“ als programmatisch für die Diskussionskultur des künftigen Humboldtforum erklärte, verwunderte manchen angesichts der Talk-Inflation in der Republik.

Dafür blendeten die Veranstalter geschickt Videoschnipsel auf der Großleinwand ein: Der Chef des Britischen Museums Neil MacGregor „wartet mit großer Ungeduld“ auf die Eröffnung des Humboldtforums, von dessen Erfolg er überzeugt ist. Henry Kissinger betonte die Bedeutung für „transatlantische Beziehungen“. Kissinger, der ehemalige US-Außenminister mit deutschen Wurzeln, öffnet den Spendensammlern des Fördervereins die Türen zu wohlhabenden US-Bürgern deutscher Herkunft.

Bundespräsident Gauck wünscht der Stadtschloss-Baustelle viel Glück

Kulturstaatsminister Neumann nannte es „faszinierend“, dass sich das Zentrum einer preußischen Stadt öffnet für außereuropäische Kunst. Und Ramsauer sagte: „Heute ist ein schöner Tag“ und „man darf sich auch mal freuen“ – auch wenn die Journalisten das „nicht vorhandene Haar in der Suppe suchten“. Und noch etwas: Dass der Regierende Bürgermeister mit dem Schlossprojekt fremdelt, will der widerlegen. Er sei „ immer ein Befürworter des Humboldtforums“ gewesen und zwar „in der Kubatur des Schlosses“, sagte Klaus Wowereit. Zwar habe auch er sich „eine neue Fassade vorstellen“ können. Der Bundestag habe aber anders entschieden – „und das muss man akzeptieren“. Und Bundespräsident Joachim Gauck? Der wünschte der Baustelle gutes Gelingen, legte den Grundstein und klopfte ihn beherzt mit dem Hammer fest.

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