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Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum

© dpa

Humboldt-Uni: Unter strenger Beobachtung

Die Zentralbibliothek der Humboldt-Uni ist überlaufen. Nun werden die Plätze beschränkt – und das Personal muss die Leser kontrollieren.

Von Sabine Beikler

Mit einem solch großen Ansturm hatte die Humboldt-Universität nicht gerechnet: Seit der Eröffnung des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums vor einem Vierteljahr nehmen 5000 Nutzer pro Tag die neue zentrale Bibliothek der HU in Beschlag. 1250 Arbeitsplätze stehen Studierenden und externen Lesern zur Verfügung – viel zu wenig. Denn schon ab 9.30 Uhr hat kein Leser mehr die Chance, einen Platz zu bekommen. Jetzt greift die Bibliotheksleitung zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: 21 Jahre nach dem Mauerfall werden ab diesem Montag die Aufgänge in Ost und West geteilt.

Die Leseplätze an der Ostseite stehen nur noch HU-Studierenden und Mitarbeitern zur Verfügung, die externen Nutzer dürfen nur noch auf der Westseite arbeiten. „Das ist absurd und kein gutes Management, weil die Bibliothek den Anspruch hat, für alle offen zu sein“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen möchte.

Laut einer Anweisung, die dem Tagesspiegel vorliegt, werden die Plätze für die HU-Angehörigen mit geraden Zahlen nummeriert. So lange die Arbeitsplätze noch keine Nummern haben, werden Reservierungsschilder angebracht. „Gut sichtbar“, steht in der Neuregelung, sollen die HU-Studierenden ihren grünen beziehungsweise HU-Mitarbeiter ihren orangen Bibliotheksausweis auf den Arbeitsplatz legen. Ebenfalls ab Montag müssen die Bibliotheksmitarbeiter laut einer weiteren Sonderregelung die „Arbeitszeit“ der Nutzer im Lesesaal kontrollieren. Jeder ist gehalten, ein Formular am Tisch auszufüllen, wann genau er den Arbeitsplatz kurzfristig verlassen hat. Sollte er nach 60 Minuten nicht wieder erscheinen, müssen die Mitarbeiter seine Unterlagen und Bücher in eine Plastiktüte räumen, die neben den Tisch gestellt wird. „Angeschlossene Laptops werden zur Seite geschoben“, steht in der Sonderregelung. Der Platz soll so für einen anderen Nutzer freigemacht werden.

Bibliotheksmitarbeiter sind sehr verärgert und sprechen von einem „Überwachungsjob“, der viel Konfliktpotenzial berge. Die Lautstärke der auf vier Etagen angelegten Leseterrassen sei ohnehin schon groß. Und dass Diskussionen nicht leise geführt würden, wenn ein Nutzer seinen Platz verliere, liege auf der Hand. „Im Zweifelsfall muss der Wachschutz zu Hilfe geholt werden“, heißt es dazu lapidar in der Anweisung.

Auf einem Merkblatt für die Nutzer bittet die HU-Zentralbibliothek um Verständnis: „Ungewöhnliche Situationen verlangen ungewöhnliche Maßnahmen“, heißt es. Dass sich aber die Benutzerzahlen nach unten bewegen werden, ist nicht zu erwarten. Neben der alten Zentralen Bibliothek fanden zwölf inzwischen geschlossene Zweigbibliotheken der Geistes-, Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften im Grimm-Zentrum Platz.

Am Wochenende waren Bibliotheks- und Universitätsleitung für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Martin Sand, Sprecher der Senatswissenschaftsverwaltung, sagte auf Anfrage, die neuen Regelungen seien der Verwaltung bisher nicht bekannt gewesen. Sabine Beikler

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