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Berlin: Hundeverordnung: Der antiautoritär erzogene Hund (Gastkommentar)

Tierlieb sind die Deutschen, sehr tierlieb. Und so habe ich in den letzten drei Wochen mehrfach meinen Augen nicht getraut.

Tierlieb sind die Deutschen, sehr tierlieb. Und so habe ich in den letzten drei Wochen mehrfach meinen Augen nicht getraut. Am Abend, nachdem in Hamburg ein Kampfhund einen Jungen totgebissen hatte, erklärte eine nette Dame im Fernsehen, die Eltern sollten ihren Kindern beibringen, sich in ähnlichen Situationen richtig zu verhalten: dem Hund keinesfalls in die Augen sehen, weil ihn das reizt; und wenn er doch zubeißt, müsse das Kind sich bücken, um Gesicht und Hals zu schützen; auf keinen Fall weglaufen, das macht das Tier nur aggressiver. Rein fachlich war das gewiss korrekt, die Dame arbeitet in einem Tierheim. Und trotzdem standen mir die Haare zu Berge, weil niemand in dieser Sondersendung die Frage stellte, warum eigentlich Eltern ihre Kinder dressieren sollen?

Nun hat die Politik - angetrieben von empörten Medien - gehandelt und neue, restriktivere Hundeverordnungen erlassen. Doch wieder traue ich meinen Augen nicht. Die gleichen Boulevardzeitungen fordern nun Erbarmen mit genau jenen Tieren, die sie kurz zuvor noch als Kampfmaschinen dargestellt hatten. Deutsche und Tiere - da muss es irgendeine irrationale Beziehung geben, für die uns Ausländern der Sinn fehlt. Ich lebe seit Jahren in Berlin und habe in S- und U-Bahnen noch nie einen Hund mit Maulkorb gesehen. Im heimatlichen Warschau, wo es von Hunden wimmelt, wäre das völlig undenkbar. Schließlich ist es für die Tiere eine unnatürliche Situation, eng eingepfercht zu sein zwischen vielen fremden und oft lärmenden Menschen - da kann auch der besterzogene Hund mal die Nerven verlieren und zubeißen. Nur nicht in Berlin, hier hat man keine Maulkörbe.

Und dann war da noch das abendliche Picknick an der Krummen Lanke. Ein frei laufender Hund schnupperte an Teller und Glas, aber die hinterher schlendernde Besitzerin rief nur unbekümmert: "Der tut nichts." Mir war beim Blick auf die Sabberspuren freilich der Appetit vergangen. Polen hat gewiss seine Fehler, aber dies alles wäre dort völlig undenkbar. Dabei sind Bullterrier und Rottweiler auch in Polen in Mode - als Statussymbol der Aufsteiger, neben dem neuen Haus und dem dicken Auto.

Früher war der Schäferhund das Symbol deutscher Disziplin und Ordnung, von Zucht und Gehorsam. Das scheint vorbei zu sein. Heute legen die Deutschen sogar gegenüber ihren Hunden eine lässige Haltung an den Tag und erziehen sie frei und antiautoritär. Aber leider, der Hund ist kein Demokrat. Weder in Warschau, noch in Berlin.

Anna Rubinowicz

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