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Berlin: „Hunger nach Hirnfutter“

Erstmals sind Fünfjährige eingeschult worden: Können sie das verkraften?

War die Entscheidung richtig, Schulpflicht für Fünfeinhalbjährige einzuführen?

Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Kinder sind neugierig, sie wollen lernen. Sie hungern nach „Hirnfutter“, suchen Herausforderungen und wollen etwas leisten. Das kindliche Hirn ist bereit für eine nahezu unendlich große Zahl von Verknüpfungen. Diese Verknüpfungen im Gehirn entstehen aber erst bei entsprechender Anregung. Sonst sind die Chancen unwiederbringlich verloren.

Aber Eltern haben Angst, dass ihr Kind dem Schulalltag nicht gewachsen ist.

Die Schule muss sich grundlegend verändern, um den Bedürfnissen kleiner Kinder gerecht zu werden. Bisher wurde erwartet, dass Kinder „schulreif“ zu sein haben. Andernfalls wurden sie ein Jahr zurückgestellt. Jetzt heißt es: Die Schule soll reif für das Kind sein.

Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass die Lehrer noch stärker als bisher auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen Kinder eingehen müssen. Jedes Kind entwickelt einen ganz eigenen Lernweg – je nach seinen bisherigen Erfahrungen und seinem Vorwissen. Die Kunst der Lehrer wird sein, Schule so zu gestalten, dass jedes Kind selbstständig lernen kann.

Was können Eltern tun, wenn sie merken, dass ihr Kind überfordert ist?

Sie sollen sich unbedingt an die Lehrerin wenden. Diese Rückmeldungen sind für sie sehr wichtig.

Können Fünfjährige überhaupt 45 Minuten still sitzen?

Jedenfalls wäre das keine gute Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Gerade so junge Kinder haben einen großen Bewegungsdrang. Das Motto lautet: Wer sich nicht bewegt, bleibt sitzen.

Aber wie sollen Lehrer das organisieren?

Es muss aktive Hofpausen geben, in denen die Kinder herumtoben. Die können länger sein als üblich: Schließlich sind die Kinder bis 13.30 Uhr in den Schulen. Da lässt sich die Unterrichtszeit anders aufteilen als bisher. Außerdem sollte es Rückzugsecken im Klassenzimmer oder in einem Nebenraum geben, in denen sich die kleinen Kinder erholen können.

Aber dann verpassen sie doch einen Teil des Stoffes?

Nicht, wenn der Unterricht so organisiert wird, dass die Kinder individuell lernen. Sie bekommen ihre Aufgaben und entscheiden, wann und wie sie die erledigen.

Sind die Kleinen mit dieser Selbstständigkeit nicht überfordert?

Nein. Sie wachsen da hinein. Entscheidend ist, dass man ihr Interesse weckt: Der Mensch lernt nur wirklich und nachhaltig, wofür er sich interessiert.

Wie viele Hausaufgaben sind Fünfjährigen zuzumuten?

Bisher gilt in der ersten Klasse 15 Minuten als Faustregel für Hausaufgaben. Das können auch Fünfjährige schaffen.

Wie viel Schlaf brauchen Erstklässler?

Zehn Stunden sollten es schon sein. Dass die Kinder ausgeruht sind, ist Voraussetzung fürs Lernen. Genauso wie die richtige Ernährung. Eltern sollten ihren Kindern frisches Obst zur Schule mitgeben und sich darum bemühen, dass in ihrer Schule Milch verkauft wird. Die Fragen stellte Susanne Vieth-Entus.

Regine Schallenberg-Diekmann , 50, ist Diplompädagogin. Sie ist Mitautorin des Berliner Bildungsprogramms, das jetzt an allen Kindertagesstätten umgesetzt werden soll.

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