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Berlin: ICC-Abriss: SPD-Chef warnt den Senat vor Alleingang Michael Müller fordert die Landesregierung auf, ihre Pläne offen zu legen

Architektenverein zweifelt Gutachten über das Kongresszentrum an

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Ralf Schüler ringt um Fassung. Der Architekt, der zusammen mit seiner Frau Ursulina das ICC entworfen hat, wurde von der Nachricht, dass der Senat bis spätestens Januar den Abriss des Kongresszentrums beschließen will, völlig überrascht. „Ich hätte nie gedacht, dass die Vermessenheit der Politiker so groß ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Er sieht in den Plänen, das ICC zu beseitigen, „den Versuch des rot-roten Senats, ein Äquivalent zum Abriss des Palasts der Republik zu schaffen.“

Unterstützung bekommt Schüler vom Architekten- und Ingenieursverein (AIV). „Wir sind über das Vorgehen des Senats empört“, erklärte Vorstandsmitglied Uwe Hameyer. Er spielt auf die Gutachten an, die der Senat über die Kosten für einen Umbau und eine Sanierung des ICC einerseits und für einen Abriss und Neubau eines Kongresszentrums anstelle der Deutschlandhalle andererseits in Auftrag gegeben hatte. Öffentlich sind die Ergebnisse dieser Gutachten bis heute nicht. Nur die Eckdaten sind bekannt. Umbau und Sanierung des ICC würden demnach 219 Millionen Euro kosten, ein Abriss 30 Millionen und die neue Kongresshalle knapp 63 Millionen.

„Wir glauben den Zahlen nicht“, sagt Hameyer. Ein Abriss des ICC sei wegen der komplizierten Lage, umgeben von Straßen und Autobahnen, und wegen der aufwändigen Gebäudestruktur „nicht für unter 50 Millionen Euro zu haben.“ Ein Kongress-Neubau werde „mindestens 100 Millionen kosten“. Hameyer: „Damit erreichen wir annähernd die Umbaukosten für das ICC.“ Der AIV glaubt, dass die Baukosten für eine neue Kongresshalle absichtlich heruntergerechnet sind, „damit die Architekten den Auftrag bekommen.“ Der Verband fordert einen Ideenwettbewerb für Deutschlandhalle und ICC, um die Gebäude zu erhalten.

Dagegen sieht der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller im Bau eines neuen Kongresszentrums – verbunden mit dem Abriss des ICC – einen „grundsätzlich gangbaren Weg“. Aber er warnte den Senat vor einsamen, vorschnellen Beschlüssen. „Erst einmal muss den Koalitionsfraktionen SPD und Linkspartei die Chance gegeben werden, alle Fakten zu kennen und das Konzept des Senats ausführlich zu diskutieren“, sagte Müller gestern dem Tagesspiegel. Ansonsten müsse die Landesregierung mit erheblichen Widerständen aus den Reihen der Abgeordneten rechnen. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus tagen erst wieder am 10. Januar 2006.

Grundlage für die anstehende Senatsentscheidung ist ein neues Gutachten eines Ingenieurbüros. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) sieht dem Vernehmen nach keine Chance, das ICC zu sanieren, umzubauen oder mit Hilfe privater Investoren anders zu nutzen. Auch SPD-Chef Müller sagte gestern: „Das ICC ist nicht mehr zeitgemäß und zu teuer im Unterhalt.“ Die Stadt brauche aber ein leistungsfähiges, wirtschaftlich zu betreibendes Kongresszentrum. Als Standort für einen Neubau komme nur das Grundstück der Deutschlandhalle in Frage.

In der SPD ist diese Linie offenbar umstritten. Der Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gaebler, sieht durchaus noch Chancen für eine Nachnutzung des ICC. Auch die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus reagierten kritisch auf die Senatspläne. „Ich bin gegen ein neues Kongresszentrum“, sagte der Grünen-Haushälter Jochen Esser. Er wisse auch nicht, was man mit dem ICC-Grundstück zwischen den Trassen der Stadtautobahn anfangen könne. Der FDP-Mann Klaus-Peter von Lüdeke ist ebenfalls gegen den Abriss. Nur der CDU-Wirtschaftsexperte Stephan Tromp plädierte für ein modernes Kongresszentrum. Wenn der Neubau stehe, werde das ICC wohl nicht mehr gebraucht. Der Senat müsse aber endlich ein tragfähiges Finanzkonzept für sein Konzept vorlegen.

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