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Großer Einsatz. Notfallübung auf der 65 Meter hohen und 798 Meter langen Talbrücke Froschgrundsee der Strecke Berlin–München bei Coburg.

© dpa

ICE-Strecke Berlin-München: Retter proben Zugunglück hoch überm Tal

Bevor die neue ICE-Strecke nach München in Betrieb geht, muss alles getestet werden. Jetzt waren die Rettungskräfte an der Reihe.

Krach! Der ICE knallt gegen ein auf dem Gleis stehendes Baufahrzeug. Im Zug befinden sich rund hundert Fahrgäste; die meisten sind auf dem Weg nach Berlin. Unter ihnen gibt es nach dem Zusammenstoß Tote und Verletzte. Im Führerstand beginnt es auch noch zu brennen. Und alles passiert auf einer Brücke, 65 Meter hoch über einem See.

Dieses Szenario übten Rettungskräfte aus Bayern und Thüringen zusammen mit der Bahn am Wochenende auf der neuen Schnellfahrstrecke Berlin–München, auf der am 10. Dezember der Planbetrieb beginnt. Hunderte von Berlinern werden hier dann täglich in den Zügen sitzen.

Um 9.49 Uhr heulten in Oberfranken die Sirenen, die die Freiwilligen Feuerwehren alarmieren. Gut, die Wehren waren vorbereitet; sie konnten umgehend ausrücken. Und dem modernen Einsatzfahrzeug hinterher zuckelte auch noch ein betagter Traktor mit einem Gerätewagen der Feuerwehr. Bei der Meldung „Zugunfall mit Toten und Verletzten“ muss eben alles anrücken. Und weit weg von großen Städten muss dann die Freiwillige Feuerwehr zusammen mit anderen Rettungsorganisationen ran.

Die Rettung aus einem Tunnel habe man mehrfach geübt, sagte Kreisbrandinspektor Stefan Zapf. Nicht aber den Einsatz auf einer Brücke, die bei der Bahn nichts anderes ist als eine „freie Strecke.“

Der Zufahrtsweg zur Talbrücke Froschgrundsee ist schmal – und steil. Bei Schnee und Eis müsste erst ein Räumdienst den Weg frei machen, sagte Zapf. Vorsorglich werden nur die Rettungszufahrten zu den Tunneln geräumt.

Bei strahlendem Sonnenschein erreichten die ersten Rettungskräfte am Wochenende aber problemlos die Einsatzstelle. Auf die 798 Meter lange Brücke können sie nicht fahren. Die Frauen und Männer der Feuerwehr mussten zu Fuß zum Zug, mehrere hundert Meter weit.

"Warum dauert das alles so lang?"

Erste Aufgabe: Lage erkunden. Erst danach kümmern sich die Retter um die Verletzten. „Das ist im Ernstfall nicht einfach“, erklärte Mike Flügel, bei der Bahn zuständig für die Neubaustrecke. Fahrgäste verstünden dann oft nicht, dass die Retter am Zug entlanggehen, ohne sich zunächst um die Insassen zu kümmern.

Dabei waren auch bei der Übung die Schreie der „Verletzten“ zu hören. Die Rolle hatten Bundespolizisten übernommen, die teils entsprechend geschminkt worden waren. „Sie sind nicht schlechter als Schauspieler, staunte nicht nur Landrat Michael Busch.

Und sie setzten den Übenden ganz schön zu: „Warum dauert das alles so lang?“ schrie einer der Komparsen. Immerhin waren rund 40 Minuten vergangen, bis der erste „Fahrgast“, gestützt von zwei Feuerwehrleuten, den provisorischen Rettungsplatz erreichte.

„Verletzte“ wurden auf speziellen Wagen, die auf dem Gleis geschoben werden können, auf Tragen mit Rädern oder auch in Tragetücher gehüllt, von der Brücke gebracht. Das ging auf dem schmalen Betriebsweg auf die Knochen; manchmal mussten die Retter auch eine Pause einlegen.

Retter mussten die „Verletzten“ versorgen und sich um „Tote“ kümmern.
Retter mussten die „Verletzten“ versorgen und sich um „Tote“ kümmern.

© M.Heinz/dpa

Alle Rettungsmittel müssen die Helfer mitbringen. Acht Fahrzeuge und einen Kleinbus habe die Bahn den Feuerwehren entlang des Neubauabschnitts zwischen Erfurt und Ebensfeld bei Coburg spendiert, sagte Flügel. Eigene Rettungszüge stationiert die Bahn nicht mehr; das Konzept habe sich geändert: von der Fremdrettung zur Selbstrettung.

Löschwasser aus dem See erst nach eineinhalb Stunden

Die Übung habe gezeigt, dass man prüfen müsse, auch direkt an Brücken Rettungsgeräte zu stationieren, sagte Zapf nach Abschluss des Einsatzes. Auch über fest angelegte Rettungsplätze, wie sie bei den Tunneln vorgeschrieben sind, müsse man nachdenken.

Und das Feuer? Es „brannte“ munter weiter. Löschwasser aus dem See unter der Brücke gab es erst nach rund eineinhalb Stunden. Der Schlauch musste auf einer Länge von rund einem Kilometer zum See gelegt werden. Dann fiel noch der Druck ab. Würde man den Schlauch einfach senkrecht nach unten lassen, würden die Verbindungen durch den Wasserdruck reißen, sagte Zapf. Auch über die Wasserzufuhr müsse man noch reden.

Und dann wurde es doch noch ganz ernst. Der zum Üben eingesetzte Hubschrauber wurde nach München abkommandiert, wo ein Mann Passanten mit einem Messer verletzt hatte. Die Übung ging weiter. „Hoffentlich brauchen wir unsere Erfahrungen nie für einen Ernstfall“, sagte Busch.

Die Einsatzkräfte können bei solchen Übungen wertvolle Erfahrungen sammeln.
Die Einsatzkräfte können bei solchen Übungen wertvolle Erfahrungen sammeln.

© dpa

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