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Ich bin ein BERLINER (28): "Frische Schrippen"

Stefan Kädtler, 43, arbeitet als Bäckermeister in Prenzlauer Berg - und staubt dabei regelmäßig den Rabbiner der jüdischen Gemeinde ein. In unserer Serie "Ich bin ein Berliner" erzählt er, wie es dazu kommt.

Wenn ich nachts hierher komme, hat die Stadt ihren ganz eigenen Reiz: die vielen Lichter, die vielen Menschen … Berlin ist auch bei Dunkelheit lebendig.

Ich bin Bäckermeister. Mein Arbeitstag beginnt daher meist um ein Uhr nachts, morgens muss ja alles fertig sein. Von Donnerstag auf Freitag fange ich noch früher an, denn vor dem Wochenende kaufen die Leute noch mehr ein. Was die Berliner am liebsten mögen? Schrippen, keine Frage!

Mein Opa hat 1935 angefangen mit der Bäckerei, aber er ist aus dem Krieg nicht wiedergekommen. Der Vater meiner Mutter hat das Geschäft weitergeführt. Als Kind habe ich erlebt, wie er gebacken hat, wie dann mein Vater gebacken hat … und da war klar, dass es mich auch erwischt. Der Geruch von frischem Brot und Brötchen, der Kuchen, wenn er gerade aus dem Ofen gekommen ist, das sind so meine Erinnerungen an damals. Und das mag ich heute noch.

Früher war an jeder Ecke in Berlin ein Bäcker, der selbst gebacken hat, das ist heute anders. Und der Zusammenhalt war viel größer: An Weihnachten haben sich alle Bäcker aus dem Umkreis getroffen, man kannte sich. Von damals gibt es heute vielleicht noch jeden zehnten, das ist sehr schade.

Wir sind eine der letzten Bäckereien, die noch naturbelassen produzieren. In Berlin gibt es immer mehr Backshops, ich finde das furchtbar. 'Stündlich frische Backwaren', das geht bei den meisten gar nicht, die haben nicht mal eine eigene Backstube. Ich würde mir von den Menschen wünschen, dass sie mehr darauf achten, was sie wirklich essen.

Bei uns kommt nichts aus dem Karton, wir machen alles selbst, richtiges Handwerk eben. Die Rohstoffe beziehen wir aus der Region und es kommt nur rein, was wirklich rein muss: Mehl, Hefe, Salz, Wasser. Der Rabbiner Ehrenberg der jüdischen Gemeinde hat davon mitbekommen und kam vorbei. Seitdem backen wir für die jüdische Gemeinde in Berlin – und sind die einzige koscher-zertifizierte Bäckerei Deutschlands. Drei Mal die Woche kommt der Rabbiner nun immer vorbei, um zu kontrollieren. Sein schwarzes Gewand ist danach immer ganz weiß, vom vielen Mehl (lacht).

Stefan Kädtler, 43, Bäckermeister aus Prenzlauer Berg
Stefan Kädtler, 43, Bäckermeister aus Prenzlauer Berg

© Röhlig

Vor 50 Jahren - am 26. Juni 1963 - hielt John F. Kennedy seine berühmte Berliner Rede. Hier erzählen 100 Berliner, was ihnen diese Worte bedeuten - und wie sie die Stadt heute erleben. Siemens unterstützt das Tagesspiegel-Projekt. Alle bisher erschienen Videos zu der Serie "Ich bin ein Berliner" finden Sie unter: www.tagesspiegel.de/berliner

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