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Berlin: „Ich brauche dieses Institut hier nicht!“

Die Experten hatten keinen leichten Stand bei einer Diskussion mit Anwohnern über den Forschungsreaktor in Wannsee

Berlin - Wenn da nur nicht die ständigen „Was wäre wenn“-Fragen der Anwohner gewesen wären. Denn die Experten waren sich einig: Vom Forschungsreaktor BER II geht keinerlei Gefahr aus. „Es sind keine Fälle denkbar, die auch nur annähernd mit Fukushima vergleichbar wären“, sagte Guido Buchert, der Leiter der Abteilung Strahlenschutz des Helmholtz-Zentrums, das den fraglichen Reaktor betreibt. Doch beruhigen konnte er die am Montagabend zur Diskussion erschienenen rund 130 Gäste damit kaum.

Dabei ist der in Wannsee betriebene Forschungsreaktor kaum mit denen von Atomkraftwerken zu vergleichen. Während der Forschungsreaktor nur eine Leistung von zehn Megawatt habe, seien es bei Kraftwerken zwischen 3000 bis 4000 Megawatt, sagte die Leiterin des Helmholtz-Zentrums, Ina Helms. Der Reaktor werde außerdem auch nicht zur Stromerzeugung, sondern als Neutronenquelle genutzt, mit der sich unterschiedlichste Materialien, wie mit einem Mikroskop, untersuchen und durchleuchten lassen.

Während Helms noch die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen erläuterte und der ebenfalls geladene Björn Maul aus Sicht der Bildungsverwaltung die Wichtigkeit des Reaktors für den Forschungsstandort Berlin hervorhob, begann es im Publikum bereits zu brodeln: „Was passiert bei einem Flugzeugabsturz, was bei einem terroristischen Anschlag?“ Das sei das einzige denkbare Szenario, das dem Reaktor gefährlich werden könne und außerdem sehr unwahrscheinlich. „Und wenn es nun doch passiert, wenn die Kühlung versagt?“ Fast unmöglich. „Aber wenn doch?“ Dann habe man eine Kernschmelze, sagt Helms nach zähen eineinhalb Stunden Diskussion. Wegen austretender Strahlung müssten Wohnungen im Umkreis von 2,5 Kilometern evakuiert werden. Eine Gefahr, über die längst nicht alle Haushalte in der Umgebung wie versprochen informiert worden waren, wie Helms zugab. Schuld sei eine Panne beim Zustelldienst gewesen, der 2009 nicht alle Broschüren ausgeliefert habe.

Ein folgenschwerer Fehler, der die ohnehin mit allerlei gefährlichem Halbwissen unterfütterte Debatte nun zusätzlich emotionalisierte. „Das Vertrauen ist weg“, sagte ein Anwohner. Das scheint den Brandenburger Nachbarn ähnlich zu gehen. Im Landtag zeichnet sich derzeit eine breite Mehrheit für eine Sicherheitsüberprüfung des Forschungsreaktors BER II ab. Und auch in Berlin forderten die Grünen den Senat auf, überprüfen zu lassen, ob und mit welchen zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen der Reaktor weiter betrieben werden könne. Am heutigen Donnerstag soll über den Antrag im Abgeordnetenhaus entschieden werden.

Bei der Debatte in Wannsee appellierte Karl-Heinz Steinmetz, der für die Umweltverwaltung arbeitet – der Behörde also, die den Forschungsreaktor seinerzeit genehmigen musste – an die Vernunft der Anwohner. Risiken könne man nie zu 100 Prozent ausschließen. Man müsse sich fragen, was einem der Fortschritt wert sei. An diesem Abend stand er mit dieser Überlegung bis auf wenige Ausnahmen allein da und handelte sich stattdessen wütende Zwischenrufe ein: „Ja, wie viele Leben ist Ihnen das wert?“ Und in aller Deutlichkeit formulierte eine Frau unter Applaus der Anwohner: „Ich brauche dieses Institut hier nicht!“

Einig waren sich die Anwesenden lediglich in der Frage der geplanten Flugrouten des BBI. Diese dürften keinesfalls über den Reaktor führen. Ihm fehlt eine bei vielen Kernkraftwerken übliche Betonkuppel, die den Reaktor vor Flugzeugabstürzen schützen könnte. Als es zur Abstimmung kommt, wer sich gegen die Flugrouten über dem Reaktor aussprechen möchte, erhebt sich fast der ganze Saal. Auch das Podium. Sidney Genies

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