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Berlin: „Ich kann es mir leisten, die Wahrheit zusagen“

Frau Schubert, wie sieht ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis aus? So, dass man in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten kann, ohne dass die Arbeit der Behörde darunter leidet.

Frau Schubert, wie sieht ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis aus?

So, dass man in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten kann, ohne dass die Arbeit der Behörde darunter leidet.

Sie wollen Generalstaatsanwalt Karge vom Abgeordnetenhaus abwählen lassen. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft hat also gelitten?

Sonst hätte ich diesen Antrag nicht gestellt.

Was ist schief gelaufen?

Ich bin nicht bereit, in Personalangelegenheiten Auskünfte zu geben. Das mache ich generell nicht. Innerbehördliche Vorgänge sind vertraulich zu behandeln. Auch, wenn andere mit dieser Vertraulichkeit anders umgehen und Briefe von mir veröffentlichen.

Haben denn auch die Bankermittlungen gelitten? Immerhin hat Karge ohne Absprache mit Ihnen den leitenden Oberstaatsanwalt in der Bankenaffäre abgesetzt.

Auch zu den einzelnen Komplexen gebe ich keine Auskunft. Grundsätzlich gilt: Das Vertrauensverhältnis zwischen mir und dem General ist empfindlich gestört und das wird auch das Abgeordnetenhaus entsprechend beurteilen. Ich habe bereits den Fraktionsvorsitzenden mitgeteilt, dass ich sie mündlich über die Gründe des Abwahlantrags in Kenntnis setzen werde.

Aber hat die Öffentlichkeit kein Recht zu erfahren, ob die Ermittlungen zur Bankaffäre gelitten haben?

Die Öffentlichkeit soll eines wissen: Die Ermittlungsarbeit zur Bankgesellschaft und die potenziellen Schäden, die da eingetreten sind, liegen mir so am Herzen, dass ich alles tun werde, dass die Ermittlungen zügig durchgeführt werden.

Generalstaatsanwalt Karge behauptet, dass die Politik immer wieder versucht habe, auf die Ermittlungen Einfluss zu nehmen.

Eine solche Einflussnahme verbietet sich für mich von selbst.

Ist eine Nachfolge für Karge in Sicht?

Immer wenn eine Stelle vakant wird, denkt man natürlich auch über einen Nachfolger nach. Aber solange die Position noch besetzt ist, verbietet es sich, darüber laut nachzudenken. Keinesfalls wird die Staatsanwaltschaft ohne Führung bleiben.

Wie sieht der aktuelle Ermittlungsstand in Sachen Bankgesellschaft aus?

Derzeit wird in über 50 Fällen wegen Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung, Untreue, Anlagebetrugs und ähnlicher Straftaten ermittelt. Wir haben den Komplex aufgeteilt in mehrere Ermittlungsgruppen, die jeweils unter der Führung eines Oberstaatsanwalts stehen. Davon ist eine für den Aubis-Fall zuständig und eine für die Immobilienfonds. Da wird fieberhaft gearbeitet, denn die Ermittler spüren natürlich den Druck von außen. Ich selbst habe angekündigt, dass wir wahrscheinlich Ende des Jahres erste Ergebnisse vorweisen können.

Wie schätzen Sie das Engagement des Aufsichtsrats zur Aufklärung ein?

Die sind schon sehr engagiert.

Gibt es Banker, die blockieren?

Davon ist mir nichts berichtet worden.

Staatsanwalt Karge ist vor wenigen Monaten in die Abendschau marschiert und hat gewarnt, zu hohe Erwartungen in die Verfahren zu setzen. Es sei schwierig, die Schuldigen dingfest zu machen. . .

Die Berliner Bevölkerung erwartet sicherlich, dass alle Vorstände und Aufsichtsräte zu Freiheitstrafen verurteilt werden. Und am besten noch sämtliche Schäden ausgeglichen werden, die in den letzten zehn Jahren verursacht worden sind. Das wird es sicherlich nicht geben. Je mehr Beschuldigte im Spiel sind, je verzwickter die Unternehmensstrukturen sind, umso schwieriger ist es, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir haben es mit einem Wust von Unternehmen zu tun, jeder Fond ist mehrfach gesplittet. Das Schwierige ist, das alles erst einmal transparent zu machen.

Sie sind trotzdem entschlossen, Ergebnisse vorweisen zu können.

Ja, für die Berliner Bevölkerung ist es ungemein wichtig, dass man auch an die oberen Zehntausend rangeht. Man muss zeigen, dass vor dem Gesetz jeder gleich ist. Wenn ich die Wahl hätte, zehn Kaufhausdiebe laufen zu lassen und stattdessen einen Schuldigen von der Bankgesellschaft verantwortlich machen zu können, dann würde ich das tun.

Klare Worte.

Ich bin so alt und habe so viel Berufserfahrung, dass ich es mir leisten kann, die Wahrheit zu sagen (lacht).

Zurzeit hadert die Bevölkerung noch aus einem anderen Grund mit der Justiz: In der vergangenen Woche wurde in der Straßenbahn ein Mann zusammengeschlagen, als er versuchte, einem Gewaltopfer zu helfen. Die Täter befinden sich auf freiem Fuß.

Die Bevölkerung ist berechtigterweise stark irritiert. Das Strafgesetzbuch verlangt ein Eingreifen, wenn jemand hilfsbedürftig ist, ansonsten macht man sich einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Dann greift einer ein, wird zum Opfer und muss zusehen, wie die Täter auf freien Fuß gesetzt werden. Das ist unbefriedigend.

Warum sitzt der Schläger, der dem Mann ins Gesicht getreten hat, nicht in U-Haft?

Es ist derzeit nicht geklärt, ob der 16-Jährige oder der 23-Jährige zugetreten hat. Die Zeugenaussagen widersprechen sich in diesem Punkt. Da müssen erst eindeutige Beweise gefunden werden.

Könnte der 23-Jährige in der U-Haft landen?

Sollte er der Schuldige sein, kann das passieren. Es kommt auf die Schwere der Verletzung an, auf die Schäden, die Dauer der Arztbehandlung, den Umfang der Schmerzen. Soll U-Haft angeordnet werden, muss eine schwerwiegende Straftat vorausgegangen sein. Für den Haftgrund der Wiederholungsgefahr muss außerdem eine weitere schwerwiegende Straftat zu erwarten sein.

Die Freilassung ist von mehreren Experten im Abgeordnetenhaus kritisiert worden.

Wir haben den Fall auch im Senat kontrovers diskutiert. Die Nicht-Juristen sagten: Wir müssen die Gesetze ändern. Ich sage: Moment, wir wollen doch nicht wie in einigen autoritären Staaten die Unschuldsvermutung abschaffen. Da werden die Leute weggesperrt, auch wenn sie unschuldig sind. Wenn sie dann wieder freigelassen werden, ist der Arbeitsplatz weg, die Familie wird in der Nachbarschaft diskriminiert und die Kinder werden zu Außenseitern.

Der Polizeipräsident hat eine neue Devise ausgegeben: Im Zweifel soll jeder Festgenommene für eine U-Haft-Prüfung zur Staatsanwaltschaft geschafft werden. Ist das hilfreich?

Absolut, auch wenn es zu Mehrarbeit bei der Staatsanwaltschaft führt. Im Gegensatz zu vielen Polizeibeamten haben Staatsanwälte schließlich Jura studiert und kennen sich bei rechtlichen Problemen besser aus.

Wird denn bislang in Berlin weniger konsequent gehandelt als anderswo?

Hier hat mein Kollege Finanzsenator Thilo Sarrazin endlich einmal Recht: Berlin ist Spitze. Gemessen an der Bevölkerung haben wir die meisten Untersuchungshäftlinge und kaum unbelegte Gefängnisplätze.

In Berlin sind Sie vor einem guten halben Jahr in die rot-rote Koalition eingestiegen. In Sachsen-Anhalt haben Sie sich gegen Rot-Rot ausgesprochen. Welche Entscheidung war falsch?

Falsch war gar nichts (lacht). Ich habe aufgrund meiner persönlichen Geschichte Schwierigkeiten mit Rot-Rot gehabt, von denen ich auch heute noch nicht ganz frei bin. Meine Mutter hat für ihre kritische Haltung in der DDR gelitten und die PDS ist nun einmal aus der DDR hervorgegangen.

Wie ist es dann für Sie, mit Gysi & Co zusammen im Senat zu sitzen?

Gar nicht so schwierig. Die Drei haben ja noch so viel damit zu tun, sich in ihre Senatsverwaltungen einzuarbeiten, dass sie überhaupt nicht dazu kommen zu polemisieren.

Ist es für Sie eine Koalition auf Probe?

Ja. Ich muss das jedes Mal wieder neu mit mir ausmachen. Aber wenn man täglich mit Menschen zusammenkommt, entwickeln die Abgelehnten plötzlich menschliche Züge. Dann frage ich mich: Bist du hier, um dich für sozialdemokratische Rechtspolitik stark zu machen? Oder verbrüderst du dich jetzt? Soweit bin ich aber noch nicht. Ich bleibe wachsam.

Das Gespräch führten Katja Füchsel

und Barbara Junge

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