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Berlin: „Ich kremple die Ärmel hoch“

Weniger Bürokratie, mehr Investitionen, neue Jobs: Was sich Politik und Wirtschaft für das neue Jahr wünschen

Karoline Beck, 38

Die Chefin der Berliner Isolier Wendt GmbH ist seit dem Sommer die Vorsitzende des Bundes Junger Unternehmer (BJU). Sie hofft auf neue Chancen in Osteuropa.

Heidi Hetzer, 67

Berlins bekannteste Opel-Händlerin erwartet 2005 wenig Gutes, will aber trotzdem nicht jammern, sondern die Ärmel hochkrempeln und noch mehr arbeiten.

Christian Supthut, 63

Der Herlitz-Vorstandschef freut sich, dass der Schreibwarenhersteller 2004 die Insolvenz überwunden hat. Für das nächste Jahr sieht er seine Firma gut aufgestellt.

Dieter Scholz, 57

Der Bezirksvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verlangt mehr Investitionen des Senats. Nur so könne die Binnennachfrage belebt werden.

Stephan Schwarz, 39

Der Präsident der Handwerkskammer hofft auf verlässliche Politik in Berlin und darauf, dass der beginnende Aufschwung das Handwerk erreicht.

Reinhard Uppenkamp

Der Chef von Berlin-Chemie (46) blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück, will auch 2005 neue Stellen schaffen und wünscht sich eine noch gesündere Hauptstadt.

Harald Wolf, 48

Der Senator für

Wirtschaft, Arbeit und Frauen hofft auf den Aufschwung und will seine Kühe loswerden: Durch den Verkauf von Berlins Stadtgütern.

Harald Wolf

In Berlin haben wir 2004 einen leichten, aber spürbaren Wirtschaftsaufschwung erlebt. Ich hoffe, dass sich auch die leichte Erholung auf dem Arbeitsmarkt aus den letzten Monaten verstärkt fortsetzt. Weiter wünsche ich mir für 2005, dass wir uns als rot-roter Senat weniger mit den Altlasten unserer Vorgängerregierungen beschäftigen müssen, damit wir alle Kraft auf die Zukunftspotenziale Berlins konzentrieren können: Wissenschaft, Forschung, Kultur, Gesundheitswesen. Auch die Berliner Industrie ist wieder im Aufwind, das zeigen zum Beispiel die steigenden Exporte. Um noch mehr vom erweiterten EU-Binnenmarkt zu profitieren, muss die Zusammenarbeit in der Euroregion östlich und westlich der Oder weiter ausgebaut werden. Zu Jahresbeginn werden die Marketinggesellschaften „Partner für Berlin“ und „Wirtschaftsförderung Berlin International“ hoffentlich endgültig miteinander verschmelzen. Davon verspreche ich mir für 2005 positive Effekte bei der Vermarktung von Berlin und Brandenburg. Für den Tourismus war 2004 ein Rekordjahr. Dies zu toppen, das ist auch so ein Wunsch für 2005. Noch ein Wunsch: Als Wirtschaftssenator bin ich Deutschlands größter Milchbauer. In meiner Verantwortung leben die über 6000 Milchkühe der Stadtgüter. Ich hoffe, dass der Verkauf der Stadtgüter im kommenden Jahr einen zügigen Abschluss finden wird.

Heidi Hetzer

Die wirtschaftliche Lage ist generell nicht sehr gut, und ich erwarte auch keine Besserung. Aber wir werden kämpfen, dass es zumindest ein bisschen besser wird. Dazu müssen wir mehr Arbeit ranschaffen, also mehr Autos verkaufen. Wenn das Geschäft gut läuft, dann arbeite ich auch gerne wie eine Maschine. Doch im Moment bin ich nicht erfolgreich genug. Ich wünsche mir, dass Opel im kommenden Jahr mehr positive Schlagzeilen macht, aber das Problem mit den zu vielen Mitarbeitern ist ja nicht gelöst. In Berlin geht es sicher 2005 nur schwach aufwärts. Immerhin kommen ja viele Touristen in die Stadt, und die bringen gute Laune mit. Aber wo soll das wirklich Positive auch herkommen? Was mich ärgert, sind die Beamten, die viele gute Ideen nicht genehmigen. Die Einstellung „das haben wir noch nie gemacht“, passt nicht in unsere Zeit. Aber wir sollten uns nicht beklagen. Ich kremple die Ärmel hoch und packe an, dann habe ich keine Zeit zum Jammern. 2005 werde ich sicher so viel arbeiten wie 2004. Persönlich wünsche ich mir mehr Zeit - aber das wünsche ich mir schon das ganze Leben und habe es doch nie erreicht.

Stephan Schwarz

Für das Jahr 2005 bin ich zuversichtlich, dass nach nunmehr acht Jahren der stetige Abwärtstrend im Handwerk gestoppt ist. Erste deutliche Signale machen Mut: So ist die Zahl der Betriebe erstmals wieder deutlich gestiegen, und noch viel wichtiger ist, dass der Arbeitsplatzabbau in diesem Jahr halbiert worden ist. Damit das Handwerk wieder richtig Fahrt aufnimmt, müssen allerdings drei Bedingungen erfüllt sein. Erstens: Die Rahmenbedingungen für die Betriebe müssen verlässlich sein. Das Drohen mit der Ausbildungsplatzabgabe und die Novellierung der Handwerksordnung haben im letzten Jahr für viel Verunsicherung gesorgt. Für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen heißt auch, dass der Senat sein Versprechen hält und nicht zulässt, dass Handwerkeraufträge durch 1-Euro-Jobs ersetzt werden. Zweitens: Der Trend der leichten konjunkturellen Erholung der Berliner Wirtschaft muss sich auf die Binnennachfrage übertragen. Wenn die Menschen wieder mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung Berlins haben, dann wird auch die Nachfrage nach handwerklichen Produkten und Dienstleistungen steigen. Das wird aber nur gelingen, wenn gleichzeitig die Schwarzarbeit wirksam bekämpft wird. Drittens: Die Betriebe müssen die Chancen nutzen, die sich aus der besonderen Situation Berlins nach der EU-Osterweiterung ergeben. Zwar befinden sich die Betriebe in einer neuen Wettbewerbssituation, in der sie mit niedrigeren Löhnen konkurrieren müssen. Andererseits verfügen unsere Handwerksunternehmen aber in vielen Branchen über ein deutlich höheres Know-how als unsere östlichen Nachbarn. Diesen Vorsprung, der nicht ewig währen wird, können gerade die Berliner Handwerksunternehmen nutzen.

Patrice Wagner

Mit dem Jahr 2004 wurde für uns im KaDeWe der Countdown für den 100-jährigen Geburtstag in 2007 eingeläutet. Bis dahin muss die begonnene Neupositionierung unseres Hauses abgeschlossen sein. Unser erklärtes Ziel ist es, das KaDeWe in die internationale Champions-League der Departmentstores zu führen. Trotz umfangreicher Baumaßnahmen konnten wir durch die Neueröffnung im Oktober mit dem Luxusboulevard unser gestecktes Ziel erreichen. Der Erfolg bei Berlinern und Besuchern zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ohne in Euphorie verfallen zu wollen, glaube ich stark daran, dass es 2005 einen Aufwärtstrend geben wird. Für 2005 wünsche ich mir die Unterstützung der Berliner für unser Haus, damit dieses einmalige KaDeWe nicht nur an vergangene, glanzvolle Zeiten anschließen, sondern mit neuen Ideen ein Vorbild sein kann.

Reinhard Uppenkamp

Viele Veränderungen im täglichen Leben werden schon 2005 auf die Bürger Berlins zukommen. Aber diese Schritte sind nur die ersten in die richtige Richtung. Wir alle, die wir in dieser wunderbaren Stadt leben, müssen Tag für Tag positive Beiträge liefern, um Berlin nach vorne zu bringen. Die Berlin-Chemie wird weiterhin zusätzliche Arbeitsplätze in Berlin schaffen und darüber hinaus alles daransetzen, dass Bürger in Berlin gesünder leben können als irgendwo sonst. Eine Bildungs- und Gesundheitsoffensive, die Deutschland sofort braucht, muss von der Hauptstadt ausgehen! Wir werden dazu unseren Beitrag leisten. Ich wünsche allen Berlinerinnen und Berlinern vor allem ein gesundes Neues Jahr.

Dieter Scholz

Auch 2004 war für die Berliner Wirtschaft kein gutes Jahr. Zwar wurde ein Wachstum erzielt, aber nur ein leichtes. Auch im nächsten Jahr bleibt angesichts hoher Arbeitslosigkeit und nur schwacher Lohnentwicklung die Kaufkraft schwach. Darunter leidet vor allem der Einzelhandel. Die Lage im Baugewerbe bleibt ebenfalls schwierig. Auch wenn es einige hoffnungsvolle Pflänzchen im Bereich der Medienwirtschaft, der Biotechnologie oder anderer wissensintensiver Industrien gibt, so sind doch weiterhin die herkömmlichen, zu einem großen Teil auf den regionalen Markt ausgerichteten Strukturen prägend. Deshalb erweisen sich auch die Sparmaßnahmen des Senats als ein enormes Hemmnis für Wachstum und Beschäftigung. Der Senat ist dringend aufgefordert, zur Stärkung der Binnennachfrage wieder mehr Investitionen zu tätigen.

Karoline Beck

Im Jahr 2004 sprachen Regierung und Verwaltung oft von Bürokratieabbau und Entlastung. Leider blieb es bei Lippenbekenntnissen. So ließ uns junge Unternehmer die unselige Ausbildungsplatzumlage vor einem neuen Bürokratiemonster erschauern, und Hans Eichel kündigte mit seiner Neuverschuldung den Generationenvertrag auf. Lamentieren passt aber nicht zu jungen Unternehmern. Es gab ja auch Lichtblicke: Die EU-Osterweiterung eröffnet uns viele Perspektiven. Auch haben viele Unternehmer trotz schwieriger Bedingungen die Talsohle durchschritten, wie unsere Konjunkturumfrage zeigte. In Berlin sieht es leider weniger rosig aus. Hier wird die Konjunkturschwäche viel länger nachwirken. Zu allem Übel ist die Behördeneffizienz im Vergleich zu anderen Bundesländern eher gering. Zugleich reiht sich eine hoch subventionierte Invest-Ruine an die andere, weil Politiker Wirtschaftspolitik mit Insolvenzverschleppung verwechseln. Auch wenn vom Senat intelligente Standortpolitik betrieben wird, bleiben die Anstrengungen wirkungslos, wenn die Ideen in den übermächtigen Bezirksverwaltungen nicht gelebt werden. Wir schauen 2005 trotzdem optimistisch entgegen. Mein Wunsch wäre, endlich von den bürokratischen Fesseln befreit, richtig loslegen zu können!

Christian Supthut

Das Jahr 2004 ist für uns ein besonderes Jahr. Im Januar haben wir mit unseren Kunden das 100-jährige Bestehen von Herlitz gefeiert. Beendet wurde das Jubiläumsjahr im Dezember mit einer großen Feier für die Belegschaft und ihre Angehörigen. Es ist uns gelungen, zwei Jahre nach den Turbulenzen im Jahr 2002 wieder festen Boden unter den Füßen zu erreichen. Herlitz ist für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter wieder ein stabiler Faktor. Der Einzelhandel und die Industrie leiden unter der sinkenden Konsumbereitschaft. Darüber hinaus verstärkt der Flächenüberhang im Einzelhandel den Verdrängungswettbewerb. Wir befinden uns als Industrie in einer Schere: Einerseits drückt der Handel auf die Preise, andererseits steigen die Rohstoffkosten. Herlitz kann diese Rahmenbedingungen nicht ändern. Jedoch konnte sich Herlitz an die geänderten Verhältnisse anpassen. Auch die eCom Logistik konnte ihr Dienstleistungsgeschäft ausbauen und neue Märkte erschließen. So konnten namhafte Kunden aus dem Büro- und Schreibwarenbereich, aber auch aus anderen Branchen gewonnen werden. Diese Erfolge bestätigen, dass mit der Umsetzung der Zwei-Säulen-Strategie der richtige Weg beschritten wird.

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