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Berlin: "Ich will ihn nicht töten, nur einschüchtern" - Das Geständnis eines Messerstechers

Der Angeklagte senkt den Kopf immer tiefer und verschwindet beinahe hinter der Absperrung zur Anklagebank. Es ist Scham.

Der Angeklagte senkt den Kopf immer tiefer und verschwindet beinahe hinter der Absperrung zur Anklagebank. Es ist Scham. Am 17. April 1999 hat der 19-jährige Palästinenser mit libanesischem Pass vor dem "Café Peppermint" in der Glogauer Straße in Kreuzberg bei einem Streit wegen einer Kleinigkeit einen Mann erstochen. Sprechen will der wegen Mordes Angeklagte davon nicht mehr. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach, verliest stattdessen ein ausführliches Geständnis.

Laut Geständnis war der Angeklagte, der einen Asylantrag gestellt hat, am späten Nachmittag des 17. April in einer erbärmlichen Verfassung. Nach einem Streit mit seiner Vermieterin verließ er wutentbrannt sein Zimmer und begegnete in der Glogauer Straße seinem Opfer, einem 32-jährigen Mann aus Tempelhof. Der saß mit Freunden in einem Auto. Angeblich fühlte sich der Angeklagte durch einen Ruf aus dem Wageninneren provoziert, jedenfalls trat er aus Wut gegen einen Fahrradständer. Der Ständer kippte gegen das Auto und brachte den 32-jährigen Thomas H. dazu, auszusteigen. Danach ging alles ganz schnell. Hani Y. zog sein Messer aus der Hosentasche und stach zu. "Ich ziele auf seinen Arm, aber der Stich geht in die Brust. Ich will ihn nicht töten, sondern nur einschüchtern", heißt es in dem Geständnis. Dort steht auch, dass der Täter schrie: "Ich mache alle Deutschen tot." Das Opfer blieb noch eine Weile auf den Beinen. "Ich bin angestochen", sagte der 32-Jährige, aber niemandem war klar, wie schwer der Mann verletzt war. Er rannte in ein Lokal, um mit einem Aschenbecher bewaffnet auf die Straße zurückzukehren. Ungefähr 20 Minuten nach dem Messerstich starb das Opfer an inneren Blutungen. Die Mediziner stießen bei der Obduktion auf Spuren von Ecstasy. Der Angeklagte will vor der Tat eine Flasche Whiskey geleert haben. Nach der Tat floh der Messerstecher, um sich am 3. Mai zu stellen.

Den größten Teil des umfangreichen Geständnisses nahm die Schilderung der Lebensgeschichte des Angeklagten ein, der sich nach einer Kindheit in libanesischen Flüchtlingslagern selbst als Opfer sieht. Das Publikum im Gerichtssaal hörte gestern von drei älteren Brüdern, die in Syrien verschollen sind, vom Tod des Vaters und einer von den schrecklichen Ereignissen des Bürgerkrieges traumatisierten Mutter. Eine von drei Schwestern lebte bereits in Berlin, zu ihr wurde Hani Y. geschickt. Von Tschechien aus gelangte er über die "grüne Grenze" nach Bayern, dann nach Schönefeld. Hani Y., der kaum lesen und schreiben kann, gelang es nie, in Berlin Fuß zu fassen. Werbezettel verteilen und Schwarzarbeit als Tellerwäscher waren seine einzigen Jobs.

Michael Brunner

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