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Berlin: Ich will Tamiflu!

Wo bekommt man jetzt das Grippemittel? Ein Besuch bei Ärzten und Apotheken

Der Pharmazeut von der Kreuz-Apotheke lässt nicht mit sich reden. „Arztausweis oder Rezept. Anders kommen Sie da jetzt nicht ran.“ Dabei will ich kein Morphium oder Marihuana, kein Viagra oder Anabolikum. Ein schlichtes Grippemittel soll es sein: Tamiflu. Sehr zu empfehlen, wenn die Vogelgrippe auf den Menschen überspringt. Das kann jederzeit passieren. Und wenn sie dann kommt, die große Vogelgrippen-Seuche, die „Pandemie“, wird es nicht genug davon geben, um alle Deutschen zu versorgen. Das hat selbst Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt schon zugegeben.

Bei Doktor R. ist fast Sprechstundenschluss, deshalb stünden die Chancen schlecht, noch ein Tamiflu-Rezept zu bekommen, sagt die gute Praxisfee. Sie öffnet den Kühlschrank und bietet eine konventionelle Grippeimpfung an. Ich lehne ab. Ich will Tamiflu und sonst gar nichts. Weiter zu Doktor F., Spezialist für Inneres. Nach einem Auch-das-noch-Seufzer schaut die Sprechstundenhilfe in ihren Termin-Computer, weil ohne Rücksprache mit dem Arzt schon mal gar nichts gehe. „Am Donnerstag ginge“ – „Ich fahre aber schon am Mittwoch nach Rügen“, lüge ich, „mitten in die Risikozone. Können Sie da nicht eine Ausnahme machen?“ Sie bietet an, zu warten, bis alle angemeldeten Patienten versorgt sind. Ich gehe.

Im gleichen Haus praktizieren auch die Ärztinnen Gabriele N. und Petra B. Frauen haben einen besseren Draht zu ihren Patienten, habe ich in der „Gesundheitszeitung“ gelesen. Vielleicht geben sie ihnen auch eher ein Rezept. Die beiden Arzthelferinnen sind sehr freundlich, aber beim Thema Vogelgrippe und Rügen auch sehr zerstritten. „Ich würde da nicht hinfahren“, sagt die Strohblonde. „Wenn du so denkst, kannst du gleich aufhören zu atmen“, faucht die Aschblonde. Jedenfalls werde man Frau Doktor fragen, ob sie was für mich tun könne. Nach einer halben Stunde ist klar: Sie könnte schon, will aber nicht. Wenn ich auf Rügen bin und Grippe kriege, soll ich dort zum Arzt gehen.

Mein letzter Versuch: Allgemeinärztin Christine P. Ihre Praxis wird von meditativer Musik durchströmt. Ich darf gleich die Praxisgebühr bezahlen und werde ins Wartezimmer geschickt. Das lässt hoffen. Christine P. empfängt mich persönlich, um mir zu sagen, dass es ihr sehr leid tue, aber Tamiflu dürfe sie erst bei konkreten Symptomen verschreiben. Und wenn, müsse sie gleich dem Robert-Koch-Institut Meldung machen, dass die Vogelgrippe möglicherweise einen ersten Berliner befallen habe. Sie verzieht das Gesicht zu einer mitleidigen Grimasse. Ich würde dann gleich einen Anruf vom RKI bekommen. Den Rest kann man sich denken: Quarantäne, Isolierstation, Albträume, Todesangst.

Mir wird flau im Magen.

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