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Idomeneo-Debatte: Innensenator in Deckung

Ehrhart Körting (SPD) will von Mitverantwortung für die Absetzung der Oper „Idomeneo“ und Selbstzensur nichts wissen

Das ist diesem Politiker noch nicht passiert. Ehrhart Körting, Innensenator, hat die Lage falsch eingeschätzt. Der Politiker ist mitten in den Berliner Opernskandal hineingeraten. Nach allem, was bislang bekannt geworden ist, stellen sich viele die Frage, ob Körting für das Chaos um die abgesetzte Oper und die Selbstzensur der Intendantin mitverantwortlich ist.

Zwei Tage lang schwieg der Jurist, Verfassungsrichter, Kulturmensch, dem die rot-rote Koalition einiges Ansehen verdankt. Auch dem Tagesspiegel beantworteteer keine Fragen. Das hat es nicht gegeben, seit Körting die Innenverwaltung führt – und der Sozialdemokrat hatte sich seit 2001 nicht selten mit heiklen Themen und heißen Situationen zu befassen, einschließlich des 11. September.

Im Grenzgebiet zwischen Innen- und Außenpolitik, wo es um Muslime und Islamisten, Integration und Ausgrenzung, Grundwerte und Toleranz geht, bewegt sich Körting sonst gleichermaßen sicher und schnell. Er hat sich nie von den Ereignissen treiben lassen, blieb kühl und nachdenklich. Innenpolitiker aus dem Südwesten der Republik wagten sich beim Kopftuchverbot weit vor und gewannen scharfe Konturen – Körting sagte, dass er das Kopftuch als „fundamentalistisches Symbol“ wahrnehme. Aber er kannte seine SPD, die PDS und das Berliner Meinungsklima gut genug, um aus seiner Skepsis gegenüber den Kopftuchträgerinnen kein Dogma zu machen. Der Senator, der in seinem Amtszimmer gelegentlich im Koran liest, zog mit dem Berliner „Neutralitätsgesetz“ für den öffentlichen Dienst die Grenzen. Ähnlich verhielt er sich im Streit um die „Tests“ für einwanderungswillige Ausländer: Er lehnte sie ab, wies aber darauf hin, dass ein Bekenntnis zu den Grundwerten wünschenswert sei. Und er versprach, über „den ganzen Akt“ der Einbürgerung nachzudenken.

Verbal und juristisch ist Körting sehr deutlich, wenn er vermutet, dass Leute Freiheiten ausnutzen, um die freiheitliche Ordnung zu bekämpfen. Im Umgang mit einem Kreuzberger Imam, der in Predigten die Deutschen beschimpft haben soll, betrieb er dessen Ausweisung. Auch wenn Körting damit scheiterte, zeigte seine Haltung, warum man ihm Sätze abnimmt wie den: „Wer die westliche Gesellschaft ablehnt und sie für des Teufels hält, der soll dieses Land verlassen.“

Kein Wunder, dass jetzt kaum jemand begreift, warum dieser Politiker die Absetzung der Oper „Idomeneo“ nicht als selbst fabrizierten Anschlag auf die Freiheit der Meinung und der Kunst bezeichnen will. Weil er daran mitgewirkt hat? Seine Erklärung: „Bei rückblickender Betrachtung wäre wahrscheinlich ein ausführlicher Diskurs zwischen allen Beteiligten vor einer Entschiedung zielführend gewesen.“

Das erklärt Körtings Gedanken nicht wirklich. Er hatte der Operintendantin Kirsten Harms, der ein parteiübergreifendes Politikerkollektiv Feigheit vorwirft, telefonisch die „Gefährdungsbewertungen“ des Landeskriminalamts erläutert. Dabei fiel ein Satz, der Harms nachhaltig verunsicherte – dass Körting die Deutsche Oper möge, oft daran vorbeifahre und „nicht erleben“ wolle, „dass sie da nicht mehr steht“. Dazu erklärt der sonst so klare Senator auf Verwaltungsdeutsch: „Nachdem die Intendantin der Deutschen Oper in diesem Telefonat angedeutet hat, dass sie überlege, die Inszenierung zum jetzigen Zeitpunkt abzusetzen oder zu verschieben, hat der Innensenator seiner Erleichterung unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit durch den jetzt überall zitierten Satz von der Liebe zur Deutschen Oper Ausdruck gegeben.“

Die Sicherheitsbehörden seien „natürlich“ in der Lage, eine Idomeneo-Aufführung „angemessen“ zu schützen. Gut zu wissen – die Aufregung war umsonst.

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