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Berlin: „Ihr sollt die Bonbons doch nicht zurückwerfen!“

Etwas genervt reagierte Tollität Prinz Christian I. gleich am Anfang des Zugs: „Ihr sollt die Bonbons doch nicht zurückwerfen, sondern behalten!

Etwas genervt reagierte Tollität Prinz Christian I. gleich am Anfang des Zugs: „Ihr sollt die Bonbons doch nicht zurückwerfen, sondern behalten!“, rief er vom Wagen herunter. Einige Zuschauer hatten erst nicht kapiert, dass die Wurfgeschosse aus luftiger Höhe für sie bestimmt waren. Da flogen Schokoriegel und Päckchen mit Gummibonbons hin und her. Auch wenn ein Zuschauerrekord gemeldet wird – Berlin hat noch etwas Nachholbedarf in Sachen Karnevalszug.

Aber Prinz Christian und Prinzessin Manuela wussten schnell, dass sich ein großer Erfolg anbahnte. Der Berliner Zug wird, wie heimische und rheinische Experten am Rand der Strecke versicherten, immer professioneller. Heike und Michael Forgber aus Kreuzberg beispielsweise – sie als bunte Blumenwiese, er als Biene Maja verkleidet – waren voll des Lobes. Vorm Zaun der Russischen Botschaft, die gestern besonders verrammelt wirkte, schunkelten sie sich in Stimmung und bedauerten nur, dass sich so wenig Zuschauer verkleidet hatten. „Der Berliner Karnevalszug wird aber immer besser“, versicherten Biene und Wiese. „Das liegt daran, dass so viele Vereine aus Brandenburg mitmachen.“ Vom Osten könne man lernen. War es ein Zeichen, dass der Wagen des Neuenhagener Karneval Clubs ganz vorn rollte?

Viele kleine Berliner kamen als Hasen, Cowboys, Katzen oder Zigeunerinnern, warteten mit Tüten oder verkehrt aufgeklappten Schirmen auf Kamellen. Die Großen, die sich kostümiert hatten, stammten oft aus anderen Gegenden. Wie Hartmut Rosen aus Bonn. Als Pirat betrachtete er den Zug und fühlte sich an die Heimat erinnert. Mit Freunden zog er einen kleinen Anhänger samt Fässchen hinter sich her, wie es am Rhein so üblich ist. Es gebe nur zu viel rheinische Stimmungslieder, mehr Berlinisches müsste her. In der Nähe des Piraten stand ein Tiger, darunter verbarg sich der Münchener Wulf Möller. „Das wird noch was werden mit dem Karneval in Berlin“, tönte es aus dem Fell. Dann trank der Tiger Kölsch und freute sich über die ausgelassene Stimmung ringsum.

Als die ersten Wagen des Zugs in die Friedrichstraße einbogen, gerieten viele Zuschauer geradezu aus dem Häuschen. Erstaunlich gut war die Akustik in der engen Häuserschlucht. „Hier tanzt der Bär, hier haun wir auf die Pauke“, brüllte es aus den Lautsprechern der Wagen, oder auch „wir sind alle über 40“. Die Kleinsten warteten geduldig auf süße Beute, viele sahen nach den ersten drei Wagen etwas traurig aus, weil die Ernte anfangs mager ausfiel oder weil Erwachsene schneller waren. Zwischendurch musste der Zug öfters anhalten, neue Pakete mit Süßigkeiten wurden auf die Wagen gereicht. Rolf Vieting, der „Zugmarschall“, zog bei einer kurzen Pause am Gendarmenmarkt höchst zufrieden eine Zuschauerbilanz. Dass nicht Konfetti geworfen werde, sei nicht weiter schlimm. Noch am Vortag hatten Karnevalisten darüber gemurrt, dass die Behörden Konfetti wegen des Windes nicht gewollt hätten. „Es gab kein Verbot“, versicherte Vieting. Man habe der Stadtreinigung aber Arbeit ersparen wollen, die durch Konfetti-Kanonen entstanden wäre.

Christian van Lessen

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