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Der nackte Wahnsinn. Wo Baden nicht erlaubt ist, ist es verboten. Nur nimmt es niemand genau, so dass letztlich jeder auf eigene Gefahr badet.

© Thilo Rückeis

Illegale Badestellen: In vielen Berliner Seen ist Baden verboten

In vielen Berliner Seen ist das Baden verboten, weil das Wasser schlecht und die Natur geschützt ist. Trotzdem wird es geduldet und vereinzelt sogar gefördert - besonders in Marzahn-Hellersdorf.

In Hellersdorf weiß man sich zu helfen: Müllsäcke werden mit Klebeband an Bäume gebunden, es werden kleine Zelte aufgebaut und Picknick mitgebracht. So verbringen Hunderte am Kaulsdorfer Habermannsee, von seinen Liebhabern „Kauli“ genannt, ihre Sommertage. Sogar eine separate FKK-Bucht hat sich herausgebildet. Nur ändern diese geordneten Verhältnisse nichts daran, dass das Baden im Habermannsee, wie auch in den anderen Baggerseen des Bezirks, verboten ist.

„Illegale Nutzungen“ hätten sich am Habermannsee seit Beginn der 1990er Jahre verfestigt, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. „Massenhaft“ würde so gegen wasserschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. Denn der Habermannsee liegt – wie rund ein Viertel der Berliner Landesfläche – im Trinkwasserschutzgebiet.

Badeverbot heißt nicht, dass niemand badet

In Berlin gibt es knapp hundert stehende Seen. Hinzu kommen die zahlreichen Buchten von Havel, Dahme und Spree. Dabei gibt es in der Stadt nur elf Strandbäder und 39 offizielle Badestellen, an denen, zumindest am Wochenende, meist Rettungsschwimmer aufpassen. Natürlich wird nicht nur dort gebadet. Außerhalb der freigegebenen Badestellen ist das Baden nach dem Wortlaut der Berliner Badegewässerverordnung „verboten“. Eine Ordnungswidrigkeit begeht jedoch nur, wer etwa unter Brücken, an Schleusen sowie in der Stadtspree, der mittleren Havel oder in Kanälen badet.

Die Hürden zur Einrichtung einer offiziellen Badestelle sind hoch, ja wegen EU-Vorgaben „fast unmöglich“, sagt Christian Gräff (CDU), Stadtrat für Wirtschaft und Stadtentwicklung in Marzahn- Hellersdorf. In keinem der dortigen Seen wäre es möglich, die Wasserqualität auf EU-Niveau zu bringen. Was die Kaulsdorfer Seen betreffe, spricht sich Gräff im Sinne des Landschaftsschutzes auch gegen eine Badenutzung aus. Allerdings würde er den benachbarten Biesdorfer Baggersee zum Baden freigeben, „wenn wir es könnten.“ Dort ist sogar eine Art Sandstrand aufgeschüttet worden, und der Bezirk suchte einen Kioskbetreiber. Dies sei in der Tat „eine merkwürdige Herangehensweise“, sagt Gräff. Sie rühre noch von seinen Vorgängern.

Auch in den zum Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gehörenden Seen der Grunewaldkette ist das Baden verboten. Im Halensee etwa, trotz verbesserter Wasserwerte wie berichtet noch nicht wieder zum Baden freigegeben, wird trotzdem viel gebadet. Bezirksamtssprecher Karl-Heinz Metzger sagt, es gebe deswegen weder Kontrollen noch Sanktionen. Man bade dort schlicht „auf eigene Gefahr“. So badete vor wenigen Wochen auch ein 35-jähriger Mann am Plötzensee außerhalb des Freibadbereiches – und ertrank.

Linken-Abgeordnete kritisiert die Bezirke

Gabriele Hiller, sportpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, kritisiert die Duldung des „wilden Badens“: Es sei problematisch, dass an den stark frequentierten, jedoch nicht offiziell freigegebenen Badestellen „rechtsfreie Räume“ entstünden, an denen es Alkoholkonsum und Müll gebe. Gerade der Bezirk Marzahn-Hellersdorf dulde das illegale Baden geradezu offensiv, weil es im Bezirk an offiziellen Bademöglichkeiten fehle. Bezirksstadtrat Gräff weist diesen Vorwurf zurück. Die Hellersdorfer scheinen sich am Habermannsee jedenfalls wohlzufühlen. Einer trägt am Abend einen Müllsack nach Hause. Auf dem Weg durch die Trampelpfade hält er an und pflückt sich noch zwei frische Zweige Brombeeren.

Hier ist Baden erlaubt

An 39 Stellen sind die Berliner Gewässer offiziell zum Baden freigegeben, viele davon sind auch bewacht. Eine Liste mit Links zu Stadtplanausschnitt und Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmitteln hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zusammengestellt: www.berlin.de/badegewaesser.

Badewetter

Zum Wochenende hin tut Erfrischung wieder not: Sonnabend erwarten die Wetterdienste um 30 Grad.

Badewasser

Die Badegewässer-Richtlinie der EU verlangt mindestens monatliche Wasserproben an Badestellen. In Berlin wird alle 14 Tage gemessen. An zwei Badestellen an der Unterhavel wird wegen schwankender Wasserqualität vom Baden abgeraten, nämlich an der Kleinen Badewiese und am Grunewaldturm. Wichtigstes Kriterium für die Wasserqualität ist die Menge verschiedener Bakterienarten pro 100 Milliliter. Gemessen wird außerdem die Sichttiefe.

Badefolgen

Erhöhte Bakterienbelastung kann Durchfall und Übelkeit auslösen – vor allem bei Kleinkindern, die leicht Wasser schlucken. Für sie ist auch die Sichttiefe wichtig: In trüben Gewässern sind Rettungseinsätze ungleich schwieriger als in klaren. Ab August werden viele Gewässer erfahrungsgemäß wegen verstärkten Algenwachstums trüber, und „Blaualgen“ können Gifte absondern. Aktuell gilt eine Algen-Warnung nur für das Freibad Plötzensee.

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