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Berlin: Im Bonner Spiegel ein trübes Bild von Berlin

BERLIN .Wer sich in Bonn auf den Umzug nach Berlin vorbereitet und in seiner Dienststelle in den "Bonner Behörden Spiegel" blickt, kann von Berlin ein recht getrübtes Bild erhalten.

BERLIN .Wer sich in Bonn auf den Umzug nach Berlin vorbereitet und in seiner Dienststelle in den "Bonner Behörden Spiegel" blickt, kann von Berlin ein recht getrübtes Bild erhalten.Die neue Bundeshauptstadt bekommt in dem Blatt, das sich als Unabhängige Zeitung für den öffentlichen Dienst versteht, jedenfalls ihr Fett weg.Die beiliegende "Umzugszeitung" ist manchmal nicht gerade zimperlich, wenn es um Berlin geht.

Da ist zum Beispiel ein Artikel "Arme reiche Bundeshauptstadt" überschrieben, was auf den ersten Blick nicht verwunderlich erscheint.Im folgenden Text aber verblüffen einige Formulierungen gerade Berliner Leser: "Die Sparwut, die im früher so verschwenderisch barocken Berlin mit der Wiedervereinigung um sich gegriffen hat, bringt die Bewohner der ehemals geteilten Insel(n) der Seligen dazu, nicht nur manchmal heimlich die Zeit vor dem Mauerbau herbeizusehnen, sondern sich auch endlich einmal nach Ruhe zu sehnen".Ruhe vor den - wie die Zeitung schreibt - Nöten der neuen Hauptstadtrolle, vor katastrophalen Meldungen über den Zustand der Schulen, vor dem Geschrei über die fehlende Sicherheit in der Stadt, vor der drohenden oder längst schon eingetretenen Arbeitslosigkeit.

Aber all dies, heißt es weiter, werde durch den Umzug noch verschärft.Die Berliner, staunend vor den riesigen Baustellen, verstünden nicht, was das mit ihnen zu tun habe.Sie begriffen nur schwer, warum einerseits eine unterirdische Palamentsanbindung für 95 Millionen Mark entstehe, andererseits auf den Straßen kopfgroße Schlaglöcher die Stoßdämpfer der Autos ruinierten, warum die Zahl der Baustellen steige, die Zahl der "Straßenwärter" aber sinke.

Nach einem Lamento über die Flughafenplanung bekommen auch Berliner selbst ihren Teil weg: "Der potentielle Umzügler, der am Flughafen Tegel oder Schönefeld ankommt, muß sich nur ins Taxi setzen, zum wohl aggressiv-geschwätzigsten Bevölkerungsteils Berlins, um zu erfahren, wo der Schuh drückt".So hat die Zeitung erfahren, daß fast acht Jahre nach dem Umzugsbeschluß "niemand kapiert, warum a) die Bundesregierung noch nicht hier ist und b) überhaupt noch kommen will".

Man müsse aber erkennen, daß die Probleme der Berliner in wenigen Jahren schon die Ex-Bonner drückten."Da hilft kein Rückzug ins Brandenburgische, wenn der öffentliche Nahverkehr zusammenbricht und die Straßen vom desolaten in den katastrophalen Zustand steuern".Dann seien die Bonner, die sich derzeit noch über den Unmut an der Spree wunderten, selbst Berliner und dürften erkennen, daß hinter der Fassade der neuen Hauptstadt der Putz ebenso bröckele, "wie die Marmorfliesen im Quartier 206 in der Friedrichstraße rissig werden".

Auch wenn es stellenweise versöhnlich heißt, daß es dem Bund an guten Gesten gegenüber der Bevölkerung fehle und dabei etwa an die "klammheimliche" Richtfestfeier für den Betriebskindergarten des Bundestags erinnert wird, so klingt das Ende des Artikels wieder recht schroff: Auf die Berliner Politik könne der Bund nicht setzen, wenn es um seine Interessen gehe.Und mit unverhohlener Bitternis wird der 10.Oktober erwartet, der Wahltag in Berlin.Unpassend, weil "viel zu früh für viele Bonner, die noch nicht die erforderliche Zeit in Berlin gemeldet waren, um wählen zu dürfen".

Es gibt in der Bonner Umzugszeitung auch positive Nachrichten, auf derselben Seite etwa unter der Überschrift "Verseuchte Alliiertenwohnungen saniert".Und eine Seite weiter wird vom Bundesinnnenministerium berichtet, das als erstes großes Ressort nach Berlin zieht und sich auf den Stichtag für die Arbeitsaufnahme im Alt-Moabiter Neubau am 19.April vorbereitet.Allerdings sei die Aufteilung im Gebäude "angesichts der nicht gerade luxuriösen Räumlichkeiten" ein delikates Thema.Auch die Tiefgaragenplätze hätte man noch nicht verteilen können, was problematisch sei, weil weniger Plätze als in Bonn zur Verfügung stünden.

CHRISTIAN VAN LESSEN

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