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Berlin: Im Dornröschenschlaf

Schloss Marquardt wartet noch immer auf eine Nutzung: Bisher fand sich kein seriöser Käufer

„Stürmt das Schloss!“ Flugblätter mit dieser Aufforderung verfehlten ihre Wirkung nicht. Der halbe Ort machte sich auf den Weg in den Park, die Dorffahne immer vorneweg. Die aufgebrachte Menge war übermächtig, die Schlossbesetzer erkannten schnell ihre auswegslose Lage und zogen mit der Drohung „Wir kommen wieder!“ von dannen. Doch sie tauchten nie mehr auf. Schließlich hatten die Menschen aus Marquardt stets ein wachsames Auge auf ihr Schmuckkästchen. Die Begebenheit aus dem kleinen Dorf bei Potsdam ist keine Geschichte aus uralten Zeiten. Sie liegt erst wenige Jahre zurück. Die vermeintliche Sekte, gegen die sich die Proteste damals richteten, wurde erfolgreich vertrieben.

Inzwischen ist die Frage der rechtmäßigen Eigentümerin geklärt. Die Sekte Transzendentale Meditation (TM) hatte nach eigenen Angaben das Schloss von der LPG-Nachfolgerin gekauft, die das Gelände vor und nach der Wende bewirtschaftete. Eine Münchener Immobilienfirma konnte dagegen auf einen Vertrag mit der Treuhandliegenschaftsgesellschaft verweisen, der schließlich als gültig angesehen wurde. Aber das so verspielt und geheimnisvoll wirkende Schloss wartet immer noch auf die lange versprochene Renovierung. Die Münchener verbreiten lediglich in regelmäßigen Abständen immer neue Meldungen – von einem baldigen Verkauf, vom Baustart für ein Hotel oder zumindest für ein Restaurant. Ende 2005 brachten einige Schlagzeilen sogar den Schauspieler Paul Newman in Verbindung mit Marquardt. Dessen Kinder-Stiftung würde Schloss und Park gerne kaufen, hieß es. Aber es war wie schon zuvor: An der Meldung war nichts wahr.

Nur ab und zu werden heute noch die Schlossgeister geweckt. Musikgruppen und Sänger haben den Reiz der alten Bauten für Videoclips entdeckt. Manchmal wird auch eine Hochzeit gefeiert. Dann kommt das Gespräch oft auf den vergangenen Glanz von Marquardt: Ende der zwanziger Jahre trafen sich hier Berliner Ausflügler in so großer Zahl, dass sogar Sonderbuslinien eingerichtet wurden. Kempinski hatte bis zur Machtergreifung der Nazis hier ein Luxushotel geführt.

Schon damals fehlte im Park jedoch der Ort, über den Fontane in seinenErzählungen so ins Schwärmen gekommen war: die blaue Grotte, in der auch König Friedrich Wilhelm II. zwischen 1795 und 1797 an spiritistischen Sitzungen teilgenommen hatte.

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