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Berlin: Im Gespräch mit Harald Wolf: PDS für Neuwahlen: "Gysi steht als Kandidat bereit"

Harald Wolf, PDS-Fraktionsvorsitzender, ist für baldige Neuwahlen: "Wir können nicht sagen, macht doch einfach bis 2004 weiter." Die PDS hält sich aus der Koalitionskrise und der Diskussion über Neuwahlen geradezu staatstragend heraus.

Harald Wolf, PDS-Fraktionsvorsitzender, ist für baldige Neuwahlen: "Wir können nicht sagen, macht doch einfach bis 2004 weiter."

Die PDS hält sich aus der Koalitionskrise und der Diskussion über Neuwahlen geradezu staatstragend heraus. Was will eigentlich Ihre Partei?

Unser Interesse ist es zunächst, die Probleme der Bankgesellschaft zu lösen und den Zusammenhang zwischen Kreditvergaben und Parteispenden an die CDU aufzuklären. Das Schicksal der Großen Koalition liegt nicht in den Händen der PDS, sondern der CDU. Die Union und ihr Landesvorsitzender Eberhard Diepgen müssten nachweisen, dass sie bereit sind, die notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten. Stattdessen wird immerzu erklärt, dass die Spendenaffäre beendet ist. Die CDU versucht zu mauern und will die Probleme aussitzen. Deshalb werden in Berlin Neuwahlen immer wahrscheinlicher.

Sind Neuwahlen in der PDS-Fraktion und in der Landespartei unstrittig?

Das Thema wurde im Landesvorstand und in der Abgeordnetenhaus-Fraktion ausführlich diskutiert. Für uns ist klar: Sollte sich im Mai - sobald die Steuerschätzung und die Jahresabschlüsse der Bankgesellschaft vorliegen - die CDU/SPD-Koalition bei der Aufstellung eines Nachtragshaushalts und des Etats 2002 als handlungsunfähig erweisen und Klaus Landowsky immer noch CDU-Fraktionschef sein, wird die PDS die Einleitung von Neuwahlen unterstützen.

Alle PDS-Abgeordneten wären bereit, einer Auflösung des Parlaments zuzustimmen?

Ja. Seit Jahren fordern wir die Ablösung der Großen Koalition. Wenn sich jetzt diese Möglichkeit bietet, können wir nicht sagen: macht ruhig noch bis 2004 weiter.

In der SPD und bei den Grünen wird auch darüber diskutiert, vor Neuwahlen den Regierenden Bürgermeister Diepgen und damit den Senat abzuwählen.

Wenn die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Auflösung des Abgeordnetenhauses und Vorbereitung von Neuwahlen am Widerstand der CDU scheitern sollte, wäre die PDS bereit, gemeinsam mit SPD und Grünen Diepgen im Zuge eines "konstruktiven Misstrauensvotums" abzulösen und einen neuen Senat zu wählen. Eine Landesregierung, an der sich die PDS selbst nicht beteiligen, die sie aber tolerieren würde. Unter der Bedingung, dass es anschließend zügig zu Neuwahlen kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU unter dieser Voraussetzung immer noch Neuwahlen verweigert. Das hält sie nicht durch. Aber wie gesagt: einen direkten Eintritt in die Regierung, ohne vorher die Wähler zu befragen, machen wir nicht mit.

Will die PDS nach Neuwahlen mitregieren?

Das hängt natürlich auch vom Wahlergebnis ab. Grundsätzlich gilt: Die Alternative zur Großen Koalition kann nur Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün heißen. Voraussetzung dafür ist aber die Verständigung auf gemeinsame politische Inhalte.

Sollte die PDS bei Neuwahlen Gregor Gysi als Spitzenkandidaten aufstellen, hätte die SPD ein Problem. Nämlich bei der Wahl möglicherweise schlechter abzuschneiden als die PDS.

Die Furcht vor Gregor Gysi sollte für die Sozialdemokraten Ansporn sein, selbst über einen überzeugenden Spitzenkandidaten nachzudenken. Das könnte der SPD und dem Projekt einer Regierungsmehrheit links von der CDU nur dienlich sein.

Ist Gysi tatsächlich als Spitzenkandidat in der Diskussion?

Gysi ist in der öffentlichen Diskussion. Er hat zwar gesagt, seine politische Lebensplanung sieht anders aus, aber er ist ja ein sehr politischer Mensch. Die Frage der Spitzenkandidatur Gysis kann ich zurzeit also weder dementieren noch bestätigen.

In der SPD geht die Angst um, dass man mit der PDS nicht, oder nur unter großen Schwierigkeiten, regieren kann.

Die umgekehrte Befürchtung, dass das Regieren mit der SPD und den Grünen schwierig sein wird, gibt es bei uns auch. Das sind doch ganz normale Ängste. Problematisch ist vor allem die Finanzsituation des Landes Berlin; das ist den meisten PDS-Mitgliedern auch bewusst. Berlin befindet sich in einer Haushaltsnotlage, in der wir trotzdem eine Politik der Reformen und der sozialen Gerechtigkeit machen müssen. Das ist eine Gratwanderung und eine hohe Kunst, an der sich keine Partei vorbeimogeln kann. Nur der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky verspricht schon wieder allen Berlinern, dass alles bleibt wie es ist oder ständig schöner wird. Trotz der fehlenden Milliarden aufgrund des Desasters bei der Bankgesellschaft. Ein solcher Populismus führt die Stadt weiter hinein in die Handlungsunfähigkeit. Berlin hat riesige Probleme und Landowsky hat sie gewiss nicht im Griff.

Wie lässt sich angesichts der katastrophalen Finanzlage ein die Menschen überzeugender Wahlkampf bestreiten?

Wir brauchen einen Kassensturz, wir müssen den Bürgern reinen Wein einschenken. Wir müssen ihnen sagen, was künftig nicht mehr bezahlbar ist und politische Schwerpunkte nennen, für die öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden müssen. Stichwort Bildung. Andererseits gibt es auch Politikfelder, wo man mit weniger Geld Verbesserungen erzielen kann. Zum Beispiel beim öffentlichen Personennahverkehr. Außerdem müssen wir uns von sündhaft teuren Investitionsprojekten wie der U-Bahnlinie 5 und den städtebaulichen Entwicklungsgebieten verabschieden.

Haben Sie keine Angst vor einem "Investitionsboykott" der privaten Wirtschaft, sollte die PDS in der Hauptstadt mitregieren?

Nicht die PDS, sondern das Verhalten der CDU und ihres Fraktionschefs Landowsky fügt dem Wirtschaftsstandort Berlin Schaden zu. Und schauen Sie sich mal in den Bezirken um, in denen die PDS die Bürgermeister stellt. Da herrscht ein gutes Investitionsklima. Alles andere ist dummes Gerede.

Derzeit wird über eine Reform des Länderfinanzausgleichs verhandelt. Eine bevorstehende Regierungsbeteiligung der PDS könnte einige westdeutsche Länder veranlassen zu sagen: Keine müde Mark für die Kommunisten.

Diesen Wahlkampfslogan hatten wir schon mal. Aber der Versuch, die Ostdeutschen für ihr Wählerverhalten zu bestrafen, ist gescheitert. Wenn Berlin deutlich macht, dass es verantwortlich mit den knappen Finanzen umgeht und ein klares Sanierugskonzept über mehrere Jahre vorlegt, wird die Stadt auch von den Ländern und dem Bund Unterstützung erfahren. Die PDS hat in Berlin eine solche Konsolidierungspolitik immer eingeklagt, während von der CDU nur beruhigende Parolen zu hören waren.

Und wenn Landowsky nach Ostern doch noch zurücktritt, ist dann wieder alles gut?

Es geht nicht nur um Landowsky, sondern um die Frage, ob die Große Koalition noch in der Lage ist, die neu entstandenen Banken- und Finanzkrise zu bewältigen. Da habe ich große Zweifel. Die Koalition scheint nicht mehr in der Lage sein, die großen Probleme der Stadt zu lösen. Ich glaube nicht, dass sich die Sozialdemokraten darauf einlassen, bis zum Ende der Wahlperiode 2004 zu warten.

Die PDS hält sich aus der Koalitionskrise

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