zum Hauptinhalt

Berlin: Im Milliardenloch

Der Sanierungsstau bei der Infrastruktur ist riesig. Die Stadt kann das kaum bezahlen. Ein Überblick.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Viele Milliarden Euro müssten ausgegeben werden, um alle Schulen und Kitas, Krankenhäuser, Universitäten und Rathäuser, Straßen, Brücken und U-Bahnhöfe in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Der Sanierungsstau der öffentlichen Infrastruktur in Berlin ist so groß, dass Senatspolitiker und Stadträte ungern darüber sprechen. Denn wer soll das bezahlen? Auch der Rechnungshof kritisiert seit Jahren, dass Berlin zunehmend von seiner Substanz lebt. Das aber ist keine nachhaltige Sparpolitik, sondern Vernichtung von Volksvermögen.

SCHULEN

Eine komplette energetische Sanierung aller Schulen würde nach Berechnung der Finanzverwaltung des Senats vier Milliarden Euro kosten. Dazu gehören der Wärmeschutz nach der gültigen Energiesparverordnung, die Modernisierung der Heizungsanlagen, neue Beleuchtungs- und Belüftungssysteme und der Einsatz regenerativer Energien. Der Vollständigkeit halber: Um alle übrigen Bezirksgebäude auf den neuesten Stand der Energietechnik zu bringen, würden weitere zwei Milliarden Euro benötigt.

Für die Schul- und Sportstättensanierung stehen jährlich aber nur 64 Millionen Euro im Landeshaushalt zur Verfügung. Etwas weniger aussichtslos erscheint die Lage, wenn man nur die dringend notwendigen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen betrachtet. Dann kostet die Beseitigung des Investitionsstaus an den Schulen nach Schätzung der betroffenen Bezirke „nur“ eine Milliarde Euro. Dabei geht es nicht nur um Energieeinsparungen, sondern auch um die Ausbesserung von Fassaden, Fenstern, Klassenräumen, Toiletten und Duschen.

KLINIKEN

Der langfristige Investitionsbedarf des größten Klinikums in Europa sowie des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes liegt nach Meinung von Experten bei 1,7 Milliarden Euro. Ein großer Teil dieses Geldes wird für die Wiederherstellung der maroden Gebäudeinstanz, für energetische und technische Modernisierungen benötigt. Allein die Charité braucht bis 2024 rund 900 Millionen Euro. Davon wurden 330 Millionen Euro im Rahmen eines Masterplans vom Senat freigegeben. Weitere 600 Millionen Euro kostet ein Zukunftskonzept, das der Aufsichtsrat des Klinikums im laufenden Jahr beschlossen hat. Vivantes macht weitere 800 Millionen Euro Sanierungskosten geltend. Hinzu kommen jährliche Sanierungszuschüsse aus dem öffentlichen Etat für Krankenhäuser in gemeinnütziger oder kirchlicher Trägerschaft. Momentan wird gebaut am Krankenhaus Havelhöhe, am Jüdischen Krankenhaus, bei St. Joseph und Königin-Elisabeth-Herberge und am Krankenhaus Lichtenberg.

UNIVERSITÄTEN

Auf zwei Milliarden Euro beziffern die Berliner Hochschulen ihren Sanierungsstau. Gerade erst hat die Freie Universität (FU) gefordert, die seit Jahren angekündigte Grundsanierung des Instituts für Chemie endlich zu realisieren. Laut Finanzplanung des Senats kostet das 32 Millionen Euro. Weitere 43 Millionen Euro sind für die Instandsetzung des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität (HU) eingeplant. Bisher jedenfalls. Die Sanierung von Rost- und Silberlaube, dem FU-Gebäudekomplex in der Habelschwerdter Allee, würde nach derzeitigem Stand 71 Millionen Euro kosten. Wenn es dazu kommt.

KULTUR

Die Staatsoper wird gerade saniert, aber die ursprünglichen Kosten- und Zeitpläne sind längst Makulatur. Weitere Reparaturen und Modernisierungen zugunsten des Deutschen Theaters, der Deutschen Oper, des Theaters an der Parkaue, der Volksbühne, aber auch der Gedenkstätte Hohenschönhausen und des Stadtmuseums laufen noch – oder liegen in den letzten Zügen. Schon sehr lange wartet die Komische Oper auf eine Grundsanierung, die 73 Millionen Euro kosten soll. Und im Friedrichstadtpalast muss die Lüftungsanlage erneuert werden. Kosten: 15 Millionen Euro.

ICC

Das Internationale Congress-Centrum (ICC) am Messedamm müsste, wenn es weiter genutzt werden soll für Kongresse, Messen oder andere Zwecke, asbestsaniert und technisch grundlegend modernisiert werden. Nach letzten Schätzungen würde das mindestens 400 Millionen Euro kosten. Der Senat wäre bereit, 200 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zuzuschießen, den Rest müsste ein privater Investor beitragen, der momentan nicht in Sicht ist. Abreißen ginge auch, aber das wäre ebenfalls teuer. Nach oberflächlichen Schätzungen der Bauverwaltung mindestens 150 Millionen Euro.

Tiefbau

Nicht nur der ADAC und die Fahrgast-Lobby schlagen Alarm: Ins Berliner Straßennetz müssten 400 Millionen Euro gesteckt werden, damit es auf Dauer nicht nur noch von Schlaglöchern zusammengehalten wird. Der Sanierungsstau bei U-Bahn und Tram wird auf mindestens 800 Millionen Euro geschätzt. Doch wer dauerhaft auf Verschleiß fährt, dem geht es irgendwann wie der S-Bahn.

BÄDER

Um die Berliner Hallen- und Freibäder wieder so richtig in Schwung zu bringen, wären noch knapp 80 Millionen Euro nötig. Bäder in Pankow und Prenzlauer Berg stehen vorn auf der Dringlichkeitsliste. Ulrich Zawatka-Gerlach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false