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Berlin: Im Namen des Herrn: Pöbeln bis zum Rauswurf

Andreas Roy ist erneut zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotzdem will der 44-Jährige weiter Gottesdienste stören

Schon beruhigend, was Andreas Roy kurz vor dem Urteil verkündet: Nie würde er, der Diener der Liebe, mit einem Flugzeug in ein Haus fliegen, keinem Menschen aus religiösem Eifer „auf die Gusche hauen“ oder so rabiat wie die verärgerten Kirchenleute reagieren. „Sogar die Schwester mit der Haube ist handgreiflich geworden“, lamentiert der Angeklagte im Amtsgericht Tiergarten. 44 Jahre alt, Jeans, Lederjacke, zurückgegeltes Haar und Rauschebart.

Dafür nervt Roy, wann und wo er kann. Der Sozialhilfeempfänger stört Gottesdienste, brüllt Predigten nieder, beschimpft mal Bürgermeister Wowereit, dann Kanzler Schröder („Gerhard, lass dich warnen! Tu Buße!“). Oder er kappt aus Protest gegen Abtreibungen, Homosexualität und die Kirche den Weihnachtsbaum am Breitscheidplatz. Andreas Roy – Berlins persona non grata. Die evangelische und katholische Kirche haben längst ein Hausverbot gegen ihn verhängt. Die Polizei reagierte noch strenger. Nach ihrer Weisung darf der Mann fast die komplette westliche City sowie den Alexanderplatz sechs Monate lang nicht betreten; für Tempelhof – Roys Wohnort – hat man nochmal eine Ausnahme gemacht: „Da muss ick einkoofen.“

In den Gotteshäusern und im Bundestag räumen Ordner Roy in Minutenschnelle aus dem Weg, im Gerichtssaal aber wird er auf der Anklagebank gebraucht. Auch, wenn seine Einlassungen nichts wirklich Erhellendes zu Tage bringen: „Die evangelisch-katholische Kirche ist eine Sekte!“, verkündet Roy. „Schwulsein ist für Gott ein Gräuel!“ Und: „Auch Sie werden Ihren Schöpfer treffen, Herr Staatsanwalt!“

Vor ein paar Monaten hat Roy einen Mitstreiter gefunden: Christian A., ein arbeitsloser Maurer, 28 Jahre alt. Zusammen sitzen die beiden heute auf der Anklagebank, müssen sich für drei ihrer Auftritte verantworten. „Störung der Religionsausübung“, wirft ihnen der Staatsanwalt vor, was mit einer Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden kann. Bereits bei der Polizei hat das sonst eher erfolglose Duo angekündigt, dass keine irdische Macht sie in ihrer Mission zu stoppen vermöge. Der Richter fragt: Auch nicht die Aussicht aufs Gefängnis? Christian A. sagt: „Jesus hat das für mich auch getan – bis zum Kreuz!“

Solche Bekenntnisse klingen durchaus etwas wunderlich. Deshalb hat im Dezember ein Psychiater den religiösen Serientäter begutachtet, im Gerichtssaal verliest der Experte schließlich seinen Bericht über Roy: eine glückliche Kindheit, Hauptschule, mit 17 Jahren das erste Mal straffällig, 1984 sechs Jahre Haft wegen schweren Raubes. „In dieser Zeit hat Roy den Zugang zur Bibel gefunden, und sein Leben auf deren Inhalte ausgerichtet.“ Dass der Ex-Sträfling anschließend Kollegen, Freunde, Eltern und Geschwister mit seinem missionarischen Eifer und seiner direkten Bibelauslegung verprellt hat, nimmt Roy laut Gutachter billigend in Kauf. „Er vergleicht sich mit Jesus, der auch überall angeeckt ist.“

Das mag größenwahnsinnig sein, hat aber keinen Krankheitswert – jedenfalls noch nicht, sagt der Gutachter. „Diese überwerttige Idee könnte eines Tages in einen religiösen Wahn umschlagen.“ Heute aber kommen die notorischen Kirchenpöbler recht glimpflich davon: 400 Euro muss Roy, 800 sein Komplize Strafe zahlen. Protest sei ja in Ordnung, sagt der Richter, – nur eben nicht im Gottesdienst. „Sie tun Ihrer Sache damit auch nichts Gutes!“

An Roy prallt’s ab wie am Anarchisten das Weihwasser. Mit der Anklagebank scheint er sich als Stammtisch längst abgefunden zu haben. „Etwa zehn Verfahren sind jetzt noch offen“, sagt Roy fast stolz. Bei seinem letzten Auftritt vor Gericht ist er zu 300 Euro veruteilt worden, und wenn es nach Roy ginge, hätte er diese Strafe längst mit sozialer Arbeit abgegolten. Menschen zu helfen, sei schließlich etwas Schönes, sagt Roy. „Es hatte aber keiner Lust, mich einzustellen.“

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