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Berlin: Im Schloss Bellevue wackelten die Wände

Christina Rau zeigte mit Hilfe eines internationalen Teams bei ihrem „Abend für Kinder“ kreative und junge Formen des Geldsammelns

Gegen Mitternacht tanzt Ozwald Boateng ausgelassen, eine imaginäre Gitarre in der Hand, zum Musikmix von DJ Stefan Ritter. Der hoch gewachse Londoner Mode-Designer, dessen Familie aus Ghana stammt, trägt einen hellroten Anzug zum dunkelroten Hemd und gäbe so das Motiv für einen ganz normalen Schnappschuss aus der globalen Kreativ-Society her, wäre nicht der Ort, an dem er tanzt, höchst ungewöhnlich: im großen Salon des Schlosses Bellevue, zwischen rasch aufgestellten weißen Liegelandschaften, genau dort, wo Staatsoberhäupter aus aller Welt normalerweise die übergeordneten Aspekte der Politik in diplomatisch geschliffenen Reden vor würdig ergrautem Publikum erläutern.

Zuvor hatte Boateng seine mit viel Beifall bedachten farbigen Anzüge im Rahmen der Benefiz-Gala für Kinder gezeigt, zu der Christina Rau schon zum zweiten Mal eingeladen hatte. Die Gastgeberin, wie auch die Moderatoren Anke Engelke und Kai Pflaume, dankten dem ebenfalls anwesenden Bundespräsidenten, dass er das Schloss für den guten Zweck unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. Für eine Nacht sollte es zugunsten der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Kindernothilfe zum angesagtesten Club der Stadt werden

Eine junge, multikulturelle Truppe hatte die Räume unter der kulturvollen Regie von Protokollchef Martin Löer für den guten Zweck völlig umgekrempelt. Im Salon Ferdinand konnten die Gäste auf einem Computer einen Formel 1-Nachmittag mit Christina Rau ersteigern, einen Backstage Besuch bei Bro’Sis oder ein Kaffeetrinken mit Nadja Auermann. Bis kurz vor Mitternacht lag der Formel 1-Besuch mit Christina Rau weit an der Spitze (6000 Euro), bevor ein plötzlich enthusiasmierter Auermann-Fan das Eintrittsgeld zum Kaffeetrinken mit dem Top-Model von gut 1000 auf 12 000 Euro katapultierte.

Wie im letzten Jahr zeigten junge Designer, diesmal unter anderem Britta Schoeler, Ilka Fiedler und Anja Gockel ihre Modelle: Engelsflügel zum Ballkleid, Schleierhütchen zum Kostüm. Über den Laufsteg katzwandelten ehrenamtlich unter anderem Nadja Auermann, Jens Lehman von Borussia Dortmund, Michael „Bully“ Herbig, Dennenesch Zoudé, Allegra Curtis, Natascha Ochsenknecht, Holger Speckhahn, MTV-Anastasia und Nina Bott. Gegen Ende elegante Abendkleider von Escada und dann ein überraschender Schluss. Statt Hochzeitskleid, eher hochzeitsnächtliche Impressionen. Wie schon am Anfang trat noch einmal zur Musik des Duos „Schiller“ die japanisch-deutsche Tanzgruppe Minako Seki („Leben und lieben in einer Seifenblase“) auf, die Köpfe ragten jetzt aus kissenähnlichen Gebilden heraus.

Sicher, seine Show in Paris finde in einem auch technisch viel größeren Rahmen statt, sagte der strahlende Ozwald Boateng anschließend. Aber wow, was für eine Ehre, seine Sachen in einem „presidential palace“ zu zeigen. Das ist etwas, wofür sich der junge Star der Savile Row, jener englischen Schneiderstraße, die traditionell Gentlemen aus aller Welt mit edlem Tuchwerk versieht, richtig begeistern kann.

Um möglichst viel Geld für Kinder in Not aufzutreiben, hatte Christina Rau Gäste wie Ann-Katrin Bauknecht, Barbara Monheim, Friede Springer und Lothar Späth zu einem Abend „für Kinder ohne Kinder“ begrüßt. Ganz stimmte das nicht, denn ihre eigenen drei Kinder, eigentlich in einem Alter, in dem man mit Eltern nicht unnötig viel unternimmt, halfen kräftig mit. Anna Rau in schulterfreier schwarz-silbriger Abendrobe als glamouröse Nachwuchs-Diva auf dem Laufsteg; Laura und Philipp Rau motivierten mit schüchternerem, aber nachdrücklichem Charme die Gäste, mehr Lose zu kaufen.

Das gehört zwar nicht zum Qualifikationskatalog für Bundespräsidenten, aber es ist auffällig, dass die Nähe zu Teenagern eine Offenheit bewirkt, die dem kreativ toleranten Image des Landes sicher bekömmlich ist. Die Hemmschwellen, junge, experimentelle, multikulturelle Veranstaltungen zuzulassen, wo es sonst doch eher gravitätisch zugeht, sinken dadurch anscheinend. In Zeiten leerer Kassen wird es sowieso immer wichtiger, diese Art des Geldauftreibens für soziale Zwecke noch salonfähiger zu machen. Der Kinder-Abend war ein leicht gewagter, aber sehr gekonnt ausgeführter Schritt in diese Richtung. Vom Spirit der Veranstaltung waren selbst die in dieser Hinsicht so fortschrittlichen amerikanischen Teilnehmer überrascht, wie etwa der sonst für Michael Jackson oder Madonna agierende Choreograph Marvin Smith aus Los Angeles, der laut überlegte, ob sowas im Weißen Haus auch möglich wäre. Ozwald Boateng jedenfalls ist wild entschlossen, die Message zu verbreiten. Die Queen könnte doch auch mal so eine Gala veranstalten. Das will er ihr bei allernächster Gelegenheit vorschlagen.

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