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Berlin: Im Sturzflug in den Werbellinsee

Die spektakuläre Jagd der Kormorane auf Maränen: Bei Fischer Wolf kann man das Schauspiel erleben.

„Der Werbellinsee kocht – selbst in kühlen Zeiten“, verspricht Fischer Volker Wolf den gespannt am Ufer wartenden Touristen. Der Mann müsste es eigentlich wissen, betreibt er doch in Joachimsthal den einzigen Fischereibetrieb an diesem bis zu 60 Meter tiefen Gewässer in der Schorfheide. Doch die Skepsis der Ausflügler über diesen gewagten Vergleich ist groß. Sie schlagen die Kragen der Mäntel nach oben, schließen die Reißverschlüsse der Jacken oder ziehen die Mützen über die Ohren wegen des kalten Windes, der die klare Luft vom Wasser über das Ufer zum Waldrand treibt. Nur ein Orkan wäre wohl in der Lage, den zu den größten Gewässern Brandenburgs zählenden See zum Kochen zu bringen, denken sie. Aber der Fischer Volker Wolf behält recht, auch wenn sich das Ereignis mit völlig unerwarteten Begleitumständen einstellt.

Plötzlich zeigt sich am Himmel ein großer Schwarm von Kormoranen. Blitzschnell setzen die schwarzen Vögel zum Sturzflug an und machen Jagd auf einen vom Angriff wohl überraschten Fischzug. Im Handumdrehen brodelt die Wasseroberfläche. Wellen spritzen nach allen Seiten und weit in die Höhe. Minutenlang dauert der Angriff, bis jeder Vogel seinen Hunger gestillt hat.

Doch während die Touristen das Spektakel meist als faszinierendes Erlebnis empfinden, reagiert der Fischer ganz anders. „Ein Kormoran vertilgt am Tag bis zu 500 Gramm Fisch und bei bis zu 300 Vögeln pro Tag sind die Mengen schon beachtlich“, sagt Volker Wolf. Seine Fangerträge gingen daher erheblich zurück. Und dabei handele sich zum größten Teil nicht um beliebige Fische, sondern um eine ausgesprochene Delikatesse. Im Werbellinsee fühlen sich vor allem Maränen wohl, die es sonst in der weiteren Umgebung nur noch im Stechlinsee gibt. Der schmackhafte Fisch braucht ausgesprochen klares und tiefes Wasser.

Obwohl schon viele Kormorane in wärmere Gefilde geflogen sind, verbringen etliche Exemplare inzwischen den Winter in der Schorfheide. Über ihr massenhaftes Auftreten in der Region fand Theodor Fontane schon vor mehr als 150 Jahren nicht nur lobende Worte. „Es gab damals Kormorans am Werbellin, wie Fliegen in einer Bauernstube, ein paar hundert mehr oder weniger machte keinen Unterschied.“ Jäger vertrieben damals die Vögel.

Heute verhindert der Naturschutz für die Kormorane drastische Eingriffe. Außerdem weiß niemand genau, wie viele Edelfische sich noch in dem riesigen See aufhalten und sich im Laufe der Saison vor den gefährlichen „kochenden Momenten“ der Oberfläche in Sicherheit bringen konnten. Mehr als 30 Meter tief taucht schließlich kein Vogel, mag er auch noch so angriffslustig sein.

Die Touristen kehren das ganze Jahr beim Fischer Wolf ein. Gibt es mal keine Maräne, greifen sie zu anderen Fischen und lauschen nebenbei den Geschichten vom kochenden Werbellinsee.Ste.

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