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Berlin: Im toten Winkel ist viel zu viel Platz

Schon die Kleinsten rasen mit 30-Gang-Rädern durch die Stadt. Im Straßenverkehr sind Kinder besonders gefährdet

Von Annette Kögel

Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen – viele Berliner holen jetzt die Räder aus dem Keller. Doch das Fahrrad wird gerade für Kinder oft zur tödlichen Gefahr: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Radunfälle von Mädchen und Jungen auf Berlins Straßen gestiegen (siehe Kasten unten). Viele Eltern lassen ihren Nachwuchs aus falsch verstandenem Ehrgeiz immer früher aufs Rad und in den hektischen Stadtverkehr – und nur ein Drittel aller kleinen Radfahrer trägt einen Helm, kritisieren Verkehrsexperten. Weil moderne Räder immer schneller werden, unterschätzen Autofahrer deren Geschwindigkeit gerade an Kreuzungen häufig, warnt die Polizei. Um Kinder fit für Schulweg und Großstadtverkehr zu machen, hat die „Berliner Aktionsgemeinschaft Verkehrssicherheit für Schulkinder“ am Montag die Aktionswoche „Toter Winkel“ gestartet.

In Berlin radeln schon die Kleinsten auf schnellen Dreißig-Gang-Rädern durch die Stadt, sagt Christian Larsen, bei der Senatsstadtentwicklungsverwaltung zuständig für die Verkehrskoordination. Viele Mädchen und Jungen haben Erfahrungen zwar mit Raser-Spielen am PC, sagt der Experte – aber weniger mit der Realität auf der Straße. „Kinder besitzen einen anderen Blickradius, eine andere Wahrnehmungsfähigkeit und haben Probleme, beim Radfahren mehrere Aktionen schnell und zeitgleich zu koordinieren“, sagt Ralf-Detlef Spiller, im Polizeipräsidium zuständig für die Verkehrsunfallprävention. Dann zeigt die Ampel eben viel schneller Rot an als vom Kind erwartet, oder das Auto schießt unvermittelt heran – und schon ist es passiert. Rund 75 Prozent der Unfälle bei Rad fahrenden Kindern „haben die Kleinen selbst - oder mitverschuldet. Bei Erwachsenen liegt der Anteil der eigenverschuldeten Unfälle bei 50 Prozent“, sagt Polizei-Verkehrslageexperte Andreas Wagner.

Wie schnell alles gehen kann, wird seit gestern in ganz Berlin rund 12000 Grundschulkindern auch in Kooperation mit der BVG, der BSR, dem Fahrlehrerverband und der Fuhrgewerbe-Innung während Vorführungen zum „toten Winkel“ verdeutlicht. Am Montag kam auch die Klasse 6a der Schöneberger Schwielowsee-Grundschule zum Dekra-Gelände am Flughafen Tempelhof: Die 12-jährige Celine zum Beispiel stellte sich vor einen der Lkw und musste dann so lange rückwärts weg vom Wagen laufen, bis der Fahrer sie endlich sehen konnte. „Seht ihr, selbst vor dem Fahrzeug gibt es einen toten Winkel“, erklärt Lehrer und Verkehrssicherheitsberater Detlef Haake. Ganz abgesehen von der mangelnden Sicht aus dem Seitenspiegel: Die 12-jährige Gökcem durfte ins Führerhäuschen klettern und beobachten, wie die komplette Klasse im toten Winkel verschwand. Da werde selbst der neue, zusätzliche Außenspiegel, den eine neue EU-Regel ab 2006 für Lkw vorschreibt, wenig helfen, warnen die Experten. Denn Autofahrer unter Zeitdruck vergessen den Rundumblick oft genauso wie abgelenkte Schulkinder.

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