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Berlin: Im Zelt zu Gast mit Freunden

Der Campingplatz ist ausgebucht, aber in den Groß-Unterkünften nebenan ist noch Platz. Hier wie dort sind alle nett zueinander

Zuerst ist es ein typischer Campingplatzmorgen: Die Frühaufsteher schlurfen zum Waschraum oder sitzen mit halb geschlossenen Augen geblendet im Zelteingang, weil es ihnen drinnen zu warm geworden ist. Nebenan macht der Rasensprenger pfft-pfft-pfft, in den vereinzelten Bäumen zwitschern Vögel, von oben heizt die Sonne die Zelte auf. Die meisten Camper schlafen noch. Aber nicht mehr lange. Denn anders als auf einem gewöhnlichen Campingplatz zelten hier am ehemaligen Sommerbad in Moabit, kaum zehn Gehminuten nördlich des neuen Hauptbahnhofes, auch eine Menge Brasilianer. Um Punkt zehn Uhr hängt sich einer von ihnen die grün-gelbe Flagge um, schnappt sich eine Tröte und schlendert von Zelt zu Zelt: Däääääät!

Jetzt sind alle wach. Aber keiner meckert. Nicht die unter weiß-rotem Tuch ruhenden Engländer, nicht die Kroaten – und die vielen Schweden schon gar nicht. Die privat betriebene „Tentstation“ mit ihren 125 Plätzen ist für die nächsten drei Nächte ausgebucht. Jakob, Joakim, Alexander und Mathias sind nach 14 Stunden Fahrt aus Stockholm am Montag hier gelandet. Den Campingtipp haben die Gymnasiasten am Flughafen Tegel bekommen. Ihr erster Eindruck von Berlin? „Groß!“, sagt Jakob, „fünf Mal Stockholm.“ Und vom Camp? „12 bis 15 Euro pro Nacht und Nase sind teuer, aber schlafen muss man ja.“ Gestern Abend gab es ein bisschen Krach auf dem Platz, aber das habe am Alkohol gelegen und nicht an fantechnischen Differenzen.

Ein paar Meter weiter schwärmt ein Mitbewohner des Trötenmannes von der guten Stimmung. Leandro ist 23 und stammt aus Sao Paulo. „Gestern Abend haben wir Happy Hour gemacht: Zusammengesessen, über die unterschiedlichen Kulturen geredet, uns fotografiert“, erzählt er. Gegen die Kroaten vom Platz hätten sie auch gespielt, am Montagabend schon. Und? „3:0 für Brasilien.“ Und weil vor dem „echten“ Spiel am Dienstagabend ein brasilianischer Sänger in der Waldbühne auftrete, hätten sie gleich ein paar Tickets mehr gekauft, damit die Kroaten auch was davon haben.

Einen Eingang weiter, im alten Poststadion, sieht es aus wie in den Rot-Kreuz- Katastrophencamps, die man aus den Fernsehnachrichten kennt. Hier hat die Berliner Sportverwaltung das „Fan- Camp“ mit Zwölf-Mann-Zelten für 2000 Menschen errichten lassen. Die ersten 300 sind schon da. Der Rasen ist nur halb so grün wie nebenan, und Schatten gibt es auch nicht. Dafür kostet die Nacht nur zwölf Euro inklusive Frühstück, und die meisten der altweißen Plastikbehausungen sind nur spärlich bewohnt. Die Brasilianer, die zu neunt in einem Zelt geschlafen haben, sind die Ausnahme – und bester Laune, obwohl im Zelt mehr als 40 Grad sind. „Nur schade, dass wir keinen Strand hier haben“, sagt ein Mädchen.

Sie alle studieren in Deutschland, aber in Berlin sind die meisten zum ersten Mal. „Ich hätte es mir viel altmodischer vorgestellt“, sagt einer. „Und dass so viele Leute aus der ganzen Welt hier sind, ist klasse.“ Am Sonntag sind sie gekommen, am Mittwoch reisen sie ab. „Aber zum Finale kommen wir bestimmt wieder“, sagt einer. Alle nicken.

Drei Zelte weiter schmiert sich Johan aus Göteborg gerade Sonnencreme ins Gesicht. Er reist am Freitag ab und ist nicht so optimistisch: „Schweden im Viertelfinale, das wäre schon gut. Schaue ich mir dann zu Hause an.“ Auch auf dem Billig-Platz stellen die Schweden die Mehrheit, aber auch viele Süd- und Osteuropäer sind hier und dösen im schmalen Schatten ihrer Behausungen. Am Rand fahren zwei vergitterte Polizeiautos vor. Das sieht gefährlich aus, aber der Chef lächelt entspannt hinter seiner verspiegelten Sonnenbrille: „Wir sind anlassunabhängig hier. Im Rahmen des Raumschutzkonzeptes. Präventiv, kieken.“ Hitze macht friedlich, sagt der Polizist.

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