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Berlin: Im Zweifel entscheidet der Bezirk

Damit kein Arbeitsloser mehr am Kompetenzgerangel der Ämter scheitert, ordnet der Senat die Aufsichtsgremien für Job-Center neu

Von Sabine Beikler

Der Senat will die Entscheidungshoheit in den Job-Centern neu ordnen, ein entsprechender Beschluss wurde gestern gefasst. Demnach sollen die Bezirke künftig in strittigen Fällen das letzte Wort haben, wenn sich Job-Center und Bezirke uneins sind. Zum Beispiel darüber, wie die Gelder ausgegeben werden, die die Bundesagentur für die Förderung Langzeitarbeitsloser zur Verfügung stellt.

Ein Beispiel: Eine langzeitarbeitslose Sekretärin will sich zur Krankenpflegerin umschulen lassen. Nach langem Hin und Her entscheidet das Jobcenter Mitte, dass es die Ausbildung nicht bezahlen wird. Zu Unrecht – kritisiert die Arbeitsagentur Mitte. Das Ergebnis in diesem Fall, über den der Tagesspiegel mehrfach berichtete: Es passiert lange nichts. Kein Einzelfall, denn Arbeitsagenturen und Job-Center blockieren sich teilweise gegenseitig. Den Grund dafür sehen viele Experten in der Konstruktion der Trägerversammlung, einer Art Aufsichtsrat der Jobcenter. Dort sitzen je drei Vertreter der Arbeitsagenturen und Bezirksämter. Sind die unterschiedlicher Ansicht, entsteht oft eine Patt-Situation, die schnelle Entscheidungen verhindert. Nach dem Willen des Senats sollen in solchen Fällen künftig die Bezirke entscheiden. Der Senats-Entscheidung liegt eine bundesweite Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Spitzenverbänden von August 2005 zugrunde. Wolf erwartet im Gegenzug von der Bundesagentur, dass „in absehbarer Zeit“ die immer noch defekte Software ausgewechselt wird, da die Vermittler für eine optimale Betreuung Langzeitarbeitsloser auf alle Daten Zugriff haben müssten. „Es ist zum Beispiel nicht möglich, sofort zu erkennen, bei welchen Personen die Miete die zulässige Höchstgrenze überschritten hat“, kritisierte der Senator.

Doch nicht alle Bezirke sind von der Neuregelung begeistert. Zu den Gegnern zählt Marzahn-Hellersdorf. Bezirksbürgermeister Uwe Klett (Linkspartei/PDS) sagt, er wolle nicht die Verantwortung für Finanzvorgaben übernehmen, die vom Bund kämen. Dagegen befürwortet die Grünen-Sozialstadträtin in Charlottenburg- Wilmersdorf, Martina Schmiedhofer die Regelung. Die Bezirke kennen ihre früheren Sozialamtsklientel, und könnten sie daher besser betreuen.

Einige der Verantwortlichen halten die Neuregelung für überschätzt. „Es ist gut, dass jemand im Zweifel die Verantwortung trägt“, sagt jemand, der es wissen sollte. „Aber der Grund, warum es in den Job-Centern nicht läuft, ist: Wir haben dort viel zu wenig qualifizierte Vermittler bekommen.“ Dieses Problem bleibe bestehen. Im vergangenen Jahr erhielt Berlin 655 Millionen Euro für die Betreuung von ALG-II-Empfängern. Dieses Jahr sollen es 655 Millionen Euro für ALG-II-Empfänger und 180 Millionen Euro für Bezieher von Arbeitslosengeld-I sein. Dass Bundesarbeitsminister Franz Müntefering plant, das ALG II für Jugendliche unter 25 Jahren auf 80 Prozent des Regelsatzes zu kürzen, bezeichnete Wolf als „vormodern und Rückfall in die Familienhaftung des alten Sozialhilfemodells“. Sabine Beikler, Marc Neller

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