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Berlin: Immer auf dem Teppich bleiben

Zum ersten Mal fand der Berliner Presseball im kleinen Kreis im Ritz-Carlton statt: Gemütlichkeit statt Glamour

Stellen wir uns doch einfach mal vor, der Berliner Presseball wäre eine Art Ausnüchterungsstation. Nach einer Woche Hollywoodstar-Diät braucht man das einfach. Große Gefühle, ergreifende Gesten, hehre Ziele, Tränen mit und ohne Glycerin schön und gut, aber als Berliner ist man irgendwie auch verpflichtet, auf dem Teppich zu bleiben. Also verkneift man sich Joops Modenschau und die Teddy-Awards und fährt zum Ritz-Carlton. Klar, dass das Taxi zum falschen Eingang gewiesen wird. Bisschen frische Luft hat noch keinem geschadet. Erstmals fällt ein Schild „Kasse“ ins Auge. Und ja, es gibt noch Flanierkarten zum Preis von 400 Euro. Könnte ich also noch ein paar Freunde herbeitelefonieren? „Schauen Sie doch erstmal, wie die Party ist“, zwinkert die nette Hostess. Guter Gedanke. Durch einen zugigen Schlauch geht es zum Hotel. Garniert ist der Schlauch mit Polstermöbeln mit Flohmarktcharme, die wegen des Durchzugs allerdings nicht genutzt werden.

Das Ambiente innen wird allseits gelobt. Auf dem bunten Teppich im Ballroom ist ein großes Parkett installiert worden. Sehr motivierte Kellner bieten ununterbrochen Schloss Wachenheim Sekt an, und nicht minder motivierte Sicherheitsleute fragen immer mal wieder nach der Eintrittskarte. Auf denen ist als Einlasszeit 19 Uhr angegeben. Pünktlich um diese Zeit stürmen in der Brasserie Desbrosses die ersten Gäste das Büfett mit Lachswürfeln, russischen Eiern, Roastbeef-Röllchen etc. Derweil lassen sich die Honoratioren von den Scheinwerfern auf der spielfilmreifen Treppe blenden, und die ersten Flüchtlinge aus dem tiefgekühlten Ballsaal balgen sich um die besten Plätze am Kamin im Erdgeschoss.

Walter Scheel ist der Star des Abends und nicht Tatjana Gsell. Das als „Busenwitwe“ in die Boulevardgeschichte eingegangene Lifting Model interessiert die Fotografen wahrscheinlich nur so heftig, weil einige der üblichen schrillen Stammkunden diesmal fehlen. Für 400 bis 500 Euro Eintritt muss man auch eine Menge Sekt vertragen können, um das wieder rauszusaufen.

Mit Barbara Schöneberger als Moderatorin haben die Veranstalter immerhin einen perfekten Griff getan. „Sie sind schließlich nicht zum Vergnügen hier, sondern zum Tanzen“, lotst sie die Gäste auf ihre Sitze im Saal. Und beruhigt sie dann psychologisch sehr geschickt: „Hier oben gibt’s das gleiche Essen wie unten.“ Die Rede des DJV-Vorsitzenden Alexander Kulpok ist erstaunlich lang. Es geht um Russland, das Motto des Abends, um den guten Zweck des Balls, und dass er eigentlich ein Tanzvergnügen sei. Walter Momper, der als Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses mit Susanne Kulpok den Ball eröffnet, sagt, wie froh er sei, dass wir einen „sehr überschaubaren Ball“ dazugewonnen haben.“

Die Veranstalter bleiben dabei, dass es 1300 Gäste sind. Die lösen sich nach 23 Uhr langsam auf und verteilen sich ansonsten sehr schön über die Räume. US-Botschafter Dan Coats lobt, dass es nicht so drängelig ist und tanzt vergnügt mit seiner Frau Marsha zur Musik der Sixties. Marsha Coats in einer langen rot-schwarz karierten Robe trägt sicher das schönste Kleid des Abend, aber das Niveau ist insgesamt deutlich gestiegen. Barbara Scheel stürzt die Filmtreppe hinunter und verletzt sich so, dass ein Krankenwagen kommen muss.

Es gibt Gäste, die es sich den ganzen Abend in der Bar gemütlich machen. „Gemütlich“ ist das Wort. Angelika Milster findet es gemütlich. Ähnlich äußert sich Anne Momper. Und ihr Mann Walter ergänzt nostalgisch schmunzelnd: „Das alte West-Berlin…“

Man muss in Erinnerung behalten, wo man herkommt. Dass der Ball früher das wichtigste gesellschaftliche Ereignis der Saison war, hatte auch politische Gründe. Gut, dass sich die erledigt haben. Da Berlin Sibirien ein Stück näher gerückt ist, gilt für den nächsten Ball auf jeden Fall: Nicht ohne meine Pelzstola.

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