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Berlin: Immer mehr Jugendliche greifen zur Kippe

Abschreckung, Verbote, rigide Vergabe von Raucherausweisen - Berlins Schulen versuchen händeringend, den Nikotinkonsum ihrer Zöglinge einzudämmen. Oftmals erreichen sie damit aber nicht viel mehr als die Schaffung kleiner rauchfreier Zonen, denn der Trend ist gegen sie: Zigaretten sind bei Jugendlichen so angesagt wie selten zuvor.

Abschreckung, Verbote, rigide Vergabe von Raucherausweisen - Berlins Schulen versuchen händeringend, den Nikotinkonsum ihrer Zöglinge einzudämmen. Oftmals erreichen sie damit aber nicht viel mehr als die Schaffung kleiner rauchfreier Zonen, denn der Trend ist gegen sie: Zigaretten sind bei Jugendlichen so angesagt wie selten zuvor. Die Landesdrogenbeauftragte appelliert an die Schulen, nicht zu resignieren, sondern "Regeln zu setzen".

Wie sehr der Zigarettengenuss aus dem Ruder läuft, zeigen die neuesten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation. Demnach bekannten sich 1998 rund 13 Prozent der deutschen Dreizehnjährigen zum "gewohnheitsmäßigen Rauchen" - rund fünf Prozent mehr als noch 1994. "Die Kollegen rauchen immer weniger, die Schüler immer mehr", fasst Jobst Werner, Leiter der Steglitzer Paulsen-Oberschule, zusammen. Dabei versuchten die "Kleinen", sich zwischen den Älteren in der Raucherecke zu verstecken. Wenn sie trotz Ermahnung wieder erwischt würden, würden die Eltern davon informiert.

Manche Schulen versuchen, über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus das Rauchen zu verbieten. Sie geben sich nicht damit zufrieden, wenn Eltern den 16jährigen Sprösslingen schriftlich den Zigarettengenuss genehmigen. "Wir bewilligen Raucherausweise nur Schülern, die sich gut führen und vorbildlich verhalten", sagt Michael Rudolph von der Kreuzberger Carl-Friedrich-Zelter-Hauptschule. Er will damit einen "Anreiz" für gutes Betragen schaffen.

Dass ein vorbildlicher Schüler den Kameraden etwas vorrauchen kann, findet Gerhard Rähme von der Ossietzky-Gesamtschule in Kreuzberg eher "antipädagogisch". Durch strenge Verbote werde zudem bewirkt, dass die Schüler heimlich rauchten. Rähme beobachtet an seiner Schule dass der Nikotinkonsum zurückgeht. Allerdings habe er mit den Siebtklässlern zunächst Probleme: Wenn die von der Grundschule kämen, müsse man sie erstmal "einjustieren", da sie sich mitunter angewohnt hätten, heimlich auf den Höfen zu rauchen. Generell gilt bei Rähme wie in allen anderen Schulen, dass erst ab 16 mit Erlaubnis der Eltern und nur in Raucherecken geraucht werden darf.

An den Grundschulen spielt das Rauchen in erster Linie im Rahmen von Präventionsmaßnahmen eine Rolle. So geht das Projekt "Klasse 2000 rauchfrei", das von der Senatsschulverwaltung und dem Lions-Club unterstützt wird, in die ersten bis vierten Klassen. Hier sollen die Kinder "stark gemacht" werden, um sich später gegen Drogen entscheiden zu können. Dazu gehöre etwa die Erfahrung, dass man sich "toll fühlen kann, wenn man irgendwo hochklettert", dass man für "Hochgefühle" keine Drogen brauche, erklärt Elvira Surrmann von der Schulverwaltung eine Grundidee des Projekts.

Obwohl das Einstiegsalter beim Rauchen immer weiter sinkt, wissen die Grundschulen kaum etwas über den Zigarettenkonsum ihrer Schützlinge. Auf Anfrage hieß es in mehreren Grundschulen, bisher seien nur "zwei oder drei Kinder" mit Zigaretten erwischt worden. "Die rauchen doch alle heimlich", erzählt der 12-jährige Boris aus Tiergarten. Die Lehrer wüssten überhaupt nicht, was vorm Schulgelände "abgeht".

Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, der die WHO-Studie in Deuschland durchführte, kritisiert, das die hiesige Präventionspolitik nicht ausreiche. "Zigaretten sind sehr leicht zu bekommen. Wir haben 800 000 Automaten. Das ist Weltrekord", kritisiert er. Jedes Kind komme ohne Kontrolle an Glimmstängel heran. Das sei besonders schlimm, weil "Nikotin die Droge ist, die am schnellstens abhängig macht".Diskutieren Sie mit unter www.meinberlin.de/forum ; Kanal Bildung

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