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© Mike Wolff

Immobilien: Ein Gefühl von Luxus

Berlin wird immer nobler. Die Immobilienbranche hat Bedarf an "gehobenem Wohnen" entdeckt. Die Nachfrage steigt.

Hier herum wohnt das Geld: Matthias Dolny verkauft Eis in bester Lage. "Stinkreiche Kundschaft“, sagt er, das klingt nicht verächtlich. Es kommen auch stinknormale Leute vorbei, viele Touristen. Der Eisladen, in dem er verkauft, ist ein Café – und so neu wie alles hier an der Niederwall- Ecke Kleine Jägerstraße in Mitte. Nebenan sind die schmalen Townhouses, gegenüber die Oxford-Residenz“, in der sich einer der Bewohner sogar ein Schwimmbad auf die Terrasse setzten ließ. Die Gegend nahe am Hausvogteiplatz ist eines der markantesten Zeichen für den Trend, sich das Wohnen in der Innenstadt viel kosten zu lassen.

"Wir werden überhäuft von Anfragen", sagt Makler Gottfried Kupsch. Nach dem Bau von Büros und Hotels entdeckt die Immobilienbranche den Bereich "gehobenes Wohnen". Die Fundus-Gruppe wird auf dem Tacheles-Gelände zwischen Oranienburger- und Friedrichstraße einen Komplex errichten, der mit amerikanisch wirkender Architektur anspruchsvolle Wohnansprüche befriedigen soll. Auf der Immobilienmesse in Cannes wurde ein Modell präsentiert, um das internationale Interesse zu erkunden. An der Detailplanung wird gearbeitet, der Baubeginn ist unklar, sicher aber ist: Der Bedarf ist vorhanden,weil mehr reiche Leute zuziehen.

Wohnungsneubau sei inzwischen so teuer, dass der Bereich "Luxus“ sich nahezu anbietet, sagt Kupsch. Sozialen Wohnungsbau gibt es nicht mehr, der erhebliche Zuzug von Leuten mit höheren Einkommen – Lobbyisten, Verbandsvertreter, Unternehmer, Promis aus der Medien- und Kunstszene – zeige aber auch: Für diese Klientel fehlt ein adäquates Angebot. Wohnungen dieser Art ließen sich dreimal verkaufen. "Wir werden überhäuft von Anfragen“, viele kommen etwa aus Spanien. Dabei werde nicht nur nach Super-Luxus verlangt, nicht nach absoluten Top-Lagen, aber auch dann müsse man schon 3000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter zahlen. Für eine große Altbauwohnung in Charlottenburg "standen die Leute Schlange“, sagt Makler Kupsch. Sie ging weg für eine Miete von 3000 Euro. Für Mitte hat etwa das Wirtschaftsmagazin "Capital“ in seinem Immobilien-Kompass Mieten bis 22 Euro, Kaufpreise bis 4500 pro Quadratmeter ermittelt. In Einzelfällen wird gar das Doppelte gezahlt.

In Schöneberg fehlen die Angebote

Es kommt zunehmend mittleres und gehobenes Management in die Stadt, das sich zuvor mit einer kleinen Zweitwohnung begnügte. In Mitte gebe es noch immer ein gutes Angebot für gehobene Wohnungen, aber ein Problem seien Charlottenburg-Wilmersdorf – gerade bei Schauspielern sehr beliebt – und Schöneberg, wo viele Leute hinwollten, aber Angebote fehlten. Der Fasanenplatz mit einem Stadthaus-Projekt mit 80 Wohnungen sei eine der wenigen Ausnahmen, sagt Kupsch. Es gebe in Berlin einen völlig gespaltenen Markt, "unglaublich viele schlechte Wohnungen“, etwa aus den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Makler und Bauherrn stören sich am Begriff „Luxus“, sprechen lieber von Wohnungen "gehobenen Standards“. Eine gute Wohnung zu finden, sei richtig Arbeit, heißt es. "Capital“ hat in seinem jüngsten Immobilen-Kompass“ auf die große Attraktivität der grünen Villenlagen im Südwesten hingewiesen, wo Einfamilienhäuser bis zu zwei Millionen Euro kosten, besonders aber auf die "neuen Edelquartiere“ in der Innenstadt, die "unerhört teuer“ seien. Doch es gebe weiterhin viele Quartiere, in denen man für wenig Geld gut wohnen könne.

Für die zahlungskräftige Klientel zählen eine erstklassige Lage und eine Top- Ausstattung, für die man bis zu 7000 Euro pro Quadratmeter zahlt, an der Fehrbelliner Straße gar bis 9000 Euro. Das sind Schnäppchenpreise im Vergleich zu London, Paris, New York oder Madrid. Ausländische Käufer lieben top-sanierte Altbauten. Neubauten müssen jeden Komfort bieten. Mitte und Prenzlauer Berg stehen hoch im Kurs, aber auch Friedrichshain: Auf dem alten Brauereigelände Richard-Sorge-Straße werden gerade 100 "exklusive Mietwohnungen“ gebaut. Auf den Zaun am Gelände steht das Wort "Geldgeier“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung meint, sie freue sich über die Nachfrage nach gehobenem Wohnungssegment, die "Masse aber müsse zu vernünftigen Mieten wohnen, und das ist der Fall.“ Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter vom Berliner Mieterverein spricht vom "Ausdruck der Spaltung der Gesellschaft“, von Solitären in der Stadt, die sich abschotteten gegen das Umfeld.

Die Oxford-Residenz gehört wie die Townhouses nicht zu den Wohnanlagen, die sich mit Mauern verschließen. Sie wird gern fotografiert. "Schick ist es schon“, sagt der Eisverkäufer gegenüber. Aber wohnen würde er lieber woanders.

Christian van Lessen

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